Mit 15 hat sie gemodelt, nach dem Abitur ging sie auf die Schauspielschule. Heute ist Pheline Roggan eine gefragte Film- und Theaterschauspielerin mit einem Faible für ungewöhnliche Projekte jenseits des Mainstreams.
(aus Hinz&Kunzt 244/Juni 2013)
Hinz&Kunzt: Auf dem kommenden Kurzfilmfestival bist du in einem Film der Hamburg Media School zu sehen: in dem Abschlussfilm „Dedowtschina“ des Regiestudenten Maxim Kuphal-Potapenko. Warum hast du da mitgemacht?
Pheline Roggan: Mich reizen grundsätzlich kleine Filme und Studentenprojekte. Ich mochte Maxim, den Regisseur, und seine Crew, und mich haben die Geschichte und die Figur interessiert. Ich bekomme oft Anfragen, wo sich die Rolle eher über das Äußerliche definiert, wo ich eine meist sehr distanzierte, eher kühle Person spielen soll. Hier spiele ich einfach eine ganz normale Mutter, die nach bestem Wissen und Gewissen Gutes tun will und leider das Schlimmste auslöst.
Bei solchen sogenannten kleinen Filmen gibt es keine Gagen, oder?
Alle arbeiten kostenlos. Wobei ich ja auch etwas davon habe: Ich kann spielen. Es gibt auch oft Chaos, jeder will es richtig gut machen, aber alle sind voll dabei, keiner reißt den Job einfach so runter. Diese Studenten haben eine so andere Energie als etwa viele beim Fernsehen, wo doch leider oft wie am Fließband produziert wird. Sie haben Träume, haben Visionen – und ich habe ja auch noch Visionen.
Was sind deine Visionen?
Ich möchte spielen. Ich möchte Menschen berühren, ich möchte Menschen irritieren, sie amüsieren und Geschichten erzählen, die den Zuschauer erreichen und etwas verändern. Das möchte ich ja selber auch, wenn ich ins Kino gehe: Ich möchte hinterher rausgehen und eine andere Perspektive auf die Welt einnehmen. Ich möchte nicht immer nur positiv unterhalten werden.
Viele deiner Kollegen haben das bestimmt mal ähnlich formuliert – und spielen später doch in Rosamunde-Pilcher-Filmen.
Letztlich bist du davon abhängig, dass man dir auch interessante und gute Rollen anbietet. Natürlich hat man den Freiraum, Ja oder Nein zu sagen, aber irgendwann hat man vielleicht Kinder, muss sein Geld zusammenkriegen, und wenn die Rollen ausbleiben, die man eigentlich spielen will, dann muss man wahrscheinlich seine Ansprüche herunterschrauben und versuchen, das Beste daraus zu machen?
Du bist oft in Projekte involviert, bei denen am Anfang nicht feststeht, was am Ende entstehen wird, wie zum Beispiel die Filme von Jan Georg Schütte, der seine Schauspieler vor der Kamera improvisieren lässt, oder die Operette von Deichkind, „Deichkind in Müll“, bei der jede Aufführung anders wird. Warum reizt dich das?
Ich mag es, mich in eher unsichere Gefilde zu begeben und zu gucken, was passiert. Probenprozesse, wo man viel ausprobiert, können ja auch total danebengehen. Je mehr Leute ein Mitspracherecht haben, umso schwieriger ist es manchmal, auf den Punkt zu kommen. Regie hat also schon ihre Berechtigung! Gleichzeitig ist es sehr spannend, zu schauen, wo jeder hinwill und dann daraus etwas Gemeinsames zu entwickeln.
Du bist ja ziemlich experimentierfreudig. In Stuttgart bist du gerade im Theater zu sehen …
Ja, in „Tschick“, eigentlich ein Jugendroman, den der Hamburger Theaterregisseur Nils Daniel Finckh auf die Bühne gebracht hat. Andreas Schmidt, den man aus dem Film „Sommer vorm Balkon“ kennt, ist der Vater, und ich bin die Mutter. Der Regisseur wollte die Eltern nicht als Personen auf der Bühne haben, sondern als Film. Wir werden also riesengroß per Video aufs Bühnenbild projiziert. Das ist auch interessant: mal Teil eines Stückes zu sein, ohne bei den Proben dabei gewesen zu sein.
Mit Kai Wessel hast du die Bühnenfassung des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ erarbeitet, der Bericht einer jungen, kleinbürgerlichen Frau in der Weimarer Republik, die auf den sozialen Aufstieg hofft. Da stehst du zwei Stunden auf der Bühne – alleine …
Ich habe dabei wahnsinnig viel gelernt und ich liebe das Stück. Aber es war am Anfang schon eine Mutprobe. Allein die Vorstellung: Zwei Stunden vor 400 Leuten spielen, da die Konzentration zu halten – aber sobald ich auf der Bühne bin, verselbstständigt sich das, hebt sich das Zeitgefühl auf. Und außerdem bin ich nicht alleine – es gibt ja das Publikum. Das kunstseidene Mädchen sagt in dem Text etwa: „Also es gibt Mädchen, die sind ganz eklig hässlich und können doch ein Glanz werden, so wie …!“, und dann schaue ich ins Publikum, das sich da im Dunklen in Sicherheit wähnt – und tue so, als ob ich mir jemanden aussuchen würde. In solchen Momenten wird die „vierte Wand“ durchbrochen und ich trete direkt in Beziehung mit dem Publikum. Das sind die irritierenden Momente, die ich so genieße.
Wann war für dich klar: Jetzt bin ich Schauspielerin?
Ich habe lange damit gehadert, mich Schauspielerin zu nennen. Etwa früher beim Reisen, wenn man beim Anmelden im Hotel was in der Rubrik „Beruf“ eintragen musste. Ich habe oft überlegt: Soll ich nicht lieber „Studentin“ schreiben? Auch weil Schauspieler ein ungeschützter Beruf ist, nach dem Motto: Einmal in einem Film mitgemacht und schon nennt man sich Schauspieler. Aber seit dem „Kunstseidenen Mädchen“ habe ich das Gefühl: Ja, ich bin Schauspielerin. Wobei schwer zu messen ist, ob man etwas kann. Meist geht es ja so: „Ach, du bist Schauspielerin? – Na, dann heul doch mal!“ Tränen sind für viele der einzig sichtbare Messwert.
Sind sie das?
Nein, natürlich nicht. Aber ich hatte zwei, drei Drehs, wo ich so richtig heftig weinen sollte, aus dem Stand. Das klappt nur, wenn die Szene stimmt; wenn ich mir etwas bauen kann, um in die Szene zu kommen. Ich weiß nicht, ob es bei mir in einem Rosamunde-Pilcher-Film klappen würde.
Interview: Frank Keil
Foto: Dmitrij Leltschuk