Wenn Hinz&Kunzt am 10. November Geburtstag feiert, wird sie charmant und humorvoll den Abend moderieren: Didine van der Platenvlotbrug. Ein Gespräch über St. Pauli, Solidarität und Sichtbarkeit.
Seit fast 35 Jahren wirbelt Didine van der Platenvlotbrug als Drag Queen über Hamburger Bühnen, hält Tunten-Lesungen an der Uni, gibt Workshops übers Queersein und schlürft auch gern mal einen Sekt auf dem Kiez.
Hinz&Kunzt: 1989 bist du erstmals als Didine aufgetreten. Was hat dich auf die Bühne gezogen?
Didine van der Platenvlotbrug: Direkt nach dem Einschreiben an der Uni bin ich ins AStA-Schwulenreferat gefallen und dort Blessless Mahony begegnet, meiner Bühnenpartnerin bis heute, einer grandiosen Tuntenpersönlichkeit. Den Fummel fand ich zuerst ein bisschen strange. Als Kind wollte ich auch nie Frauenkleider tragen, sondern – das ist jetzt politisch total unkorrekt – habe mich am liebsten als Sultan verkleidet mit wallenden Gewändern. Aber ich habe schnell gemerkt: Menschen im Fummel haben einfach mehr Spaß!
„Tunten und besetzte Häuser“ hieß euer erstes Programm – klingt nach einer Kampfansage.
Wir fühlten uns auch ein bisschen wie die Truppenbetreuerinnen der Antifa (lacht). Die Rote Flora war besetzt, es gab die Kämpfe um die Hafenstraße. Und wir haben Trash-Shows gemacht, in denen wir das, was am Tag politisch passiert ist, abends kommentiert haben. Wir waren auf der Suche nach anderen Männerbildern. Damals war die Antwort noch Tunte.
Und heute?
Ich bin ein schwuler Mann, der auch Drag macht, aber in seiner Genderperformance non-binär (nicht eindeutig als männlich oder weiblich zuzuordnen, die Red.) ist und das auch sehr schätzt. Ich bin eine sehr laute und selbstbewusste Persönlichkeit, aber versuche immer, diese männlichen Impulse der Übergriffigkeit und Platznahme rauszunehmen. Durchs Lautsein kann ich ja auch Platz machen für andere Menschen, Themen: Sichtbarkeit und Support.
Du moderierst die Jubiläumsgala für Hinz&Kunzt. Wo begegnen dir in deinem Alltag obdachlose Menschen?
Wer auf St. Pauli wohnt, begegnet täglich obdachlosen Menschen, gerade vorhin kam jemand am Café, in dem wir jetzt sitzen, vorbei. Ich kenne ihn gut, er ist öfter in der Nachbarschaft. Für mich ist klar, dass ich Menschen Aufmerksamkeit gebe, die auf der Straße sind. Ich merke auch, dass etwas mit den Leuten passiert, wenn sie gesehen werden. Wenn ich einfach mal frage: „Wie geht es dir heute? Brauchst du was?“ Ich kriege da sofort etwas zurück, so eine Sweetness. Ich finde auch, dass Hinz&Kunzt eine sehr clevere Art hat, mit diesen Menschen etwas zu bewegen. Ich war also bei der Gala sofort dabei, zumal auch noch die Band Schrottgrenze mitmacht (siehe Seite 50), die ich fürchterlich gern habe.
Didine wirkt irre lebenslustig!
Ich liebe Menschen ganz doll! Vor meinem geistigen Auge hoppeln lauter kleine Häschen um mich herum, die ich alle knutschen könnte.
Warst du schon immer so?
Ich war ein unglaublich unsicheres Kind, habe viel überspielt, dabei wusste ich schon mit fünf Jahren, dass ich schwul bin. Meine Seele hat sich über Jahre verbogen und verdreht, um irgendwie in diese Welt reinzupassen. Du musst dein Queersein tagtäglich neu aufbauen. Das ist ein Kraftakt.
Fühlst du dich heute sicher auf der Straße?
Ja, ich bin ja auch eine Erscheinung, eine ältere Dame von 54. In dieser Bubble auf St. Pauli würden mich meine Nachbarn aber zur Not auch mit Baseballschlägern verteidigen. Das ist einer der schönsten Orte in Deutschland, um queer zu sein. Wenn ich abends vom Auftritt nach Hause komme, rufen die Barkeeper mir zu: „Willst du noch einen Sekt trinken?“ Früher gab es viel mehr Mikroaggressionen. Das ältere Ehepaar, das mir wegen meines bunten, großen Schals zuraunte: „So was wie dich hätten sie früher vergast!“ Oder Menschen, die ihren Sozialdruck an vermeintlich Schwächere weitergeben. Wenn ich heute im Fummel zum türkischen Imbiss um die Ecke gehe, heißt es: „Schön, dass du da bist!“
Aber es gibt auch immer mehr Hasskriminalität gegen Menschen, die nicht hetero sind. Rechte stürmen Drag-Queen-Lesungen für Kinder.
Das Thema Trans ist zum Kulturkampfplatz der Rechten geworden, insofern ist Solidarität so wichtig! Wir springen halt gerade alle so wunderbar über das Stöckchen, das uns AfD und rechte Deppen hinhalten. Aber: 20 Prozent AfD-Sympathisanten bedeuten halt auch 80 Prozent Demokraten. Der Großteil der Gesellschaft ist tolerant, das vergessen wir immer.