Ilona, 51, verkauft in Barmbek
(aus Hinz&Kunzt 260/Oktober 2014)
„Vier Mal“, sagt Ilona, kichert und hält sich die Hand vor den Mund. Vier Mal war die 51-Jährige schon verheiratet. Aber die vierte Ehe wird die letzte sein, davon ist die Ungarin überzeugt. „Jószef ist der Richtige. Der ist gut. Und er trinkt nicht.“ Ilona macht ein Kreuzzeichen. Aus Dankbarkeit. Einen trinkenden Ehemann hatte sie schon einmal. Mit einem anderen hatte sie familiäre Probleme und der dritte hat ihr Haus verspielt. Mit Jószef aber will sie nun ihr Glück perfekt machen. Ab November leben die beiden zusammen in einem Wohncontainer, endlich raus aus der Obdachloseneinrichtung, in der sie zurzeit lebt. „Gott sei Dank“, sagt Ilona. Der Glaube ist ihr ständiger Begleiter, nicht nur in Gedanken. In ihrer Handtasche hat sie immer eine Bibel – eine ungarische. Deutsch lesen fällt ihr noch immer schwer. Zwar hat die Hinz&Künztlerin schon mal einen Deutschkurs besucht. Aber das ist schon mehr als drei Jahrzehnte her.
Damals arbeitete sie für zwei Jahre in Hoyerswerda als Reinigungskraft, bis sie mit ihrer Tochter schwanger wurde und nach Ungarn zurückkehrte. Später bekam sie ein weiteres Kind – einen Sohn. Mittlerweile sind ihre Kinder erwachsen und leben in London, arbeiten dort in Hotels. „London ist schön“, sagt Ilona. Sie strahlt, zückt ihr Handy und zeigt Fotos der beiden Auswanderer in ihrer neuen Heimat.
Ob ihre Kinder dort bleiben, weiß sie nicht. Sie selbst will nicht zurück nach Ungarn. Zuletzt hat sie dort als Stationshilfe im Krankenhaus gearbeitet, musste mit umgerechnet 200 Euro im Monat zurechtkommen, obwohl das Leben dort kaum günstiger ist als hier. Sie versucht deshalb seit zwei Jahren, wieder in Deutschland Fuß zu fassen – dieses Mal in Hamburg. Nun verkauft sie hier Hinz&Kunzt.
Was ihr nicht leicht fällt: auf den persönlichen Kontakt zu ihren vielen Verwandten zu verzichten. Allein ihre Mutter hat 14 Geschwister. „Meine Großeltern hatten keinen Fernseher. Deshalb hatten die viel Sex“, scherzt Ilona und lacht, bis sie sich die Tränen aus den Augenhöhlen wischen muss. „Ich liebe es zu lachen“, erklärt sie.
„Ich liebe Deutschland“, sagt sie noch. Die Menschen seien viel hilfsbereiter. Wenn man in Ungarn einen Unfall hat, gehen die Leute einfach weiter und kümmern sich nicht. Hier sei das anders. „Hier helfen gleich so viele Leute.“
Hinz&Kunzt: Wie siehst du dich in fünf Jahren?
Ilona: Ich habe zu 100 Prozent Arbeit und eine Wohnung, und ich werde viel backen und kochen. Das liebe ich. Einen Deutschkurs möchte ich auch noch machen. Und ich helfe dann Menschen ohne Familie oder Alten, zum Beispiel beim Einkaufen.
Text: Maike Plaggenborg
Foto: Mauricio Bustamante