Fahrkarten werden in Hamburgs armen Stadtteilen häufiger kontrolliert. Der HVV begründete das mit dem hohen Fahrgastaufkommen in diesen Vierteln. Doch diese Begründung hat er jetzt selbst widerlegt.
Obwohl am Berliner Tor und am Bahnhof Altona rund vier Mal so viele Fahrgäste ein- oder umsteigen wie auf der Veddel, fanden dort vergangenes Jahr wesentlich weniger Fahrkartenkontrollen statt (Berliner Tor und Altona jeweils 4 Großkontrollen; Veddel: 11). Das geht aus der Senatsantwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor. Der Verkehrsverbund hatte auf Kritik an seinem Kontrollsystem erklärt, die Häufigkeit der Überprüfungen richte sich nach dem Fahrgastaufkommen sowie nach Ergebnissen aus vorherigen Kontrollen.
In einer erneuten Senatsantwort widerlegt der Verbund dieses Argument nun selbst: Betrachtet man nur die Fahrgastzahlen, müsste der HVV an Stationen wie Kellinghusenstraße, Altona und vor allem am Hauptbahnhof häufig die Tickets prüfen. Dort fanden vergangenes Jahr insgesamt allerdings nur neun Großkontrollen statt. Fast drei Mal so oft wurden die Fahrscheine hingegen auf der Veddel, in Nettelnburg oder der Wandsbeker Chaussee kontrolliert – S-Bahnstationen in ärmeren Wohngegenden.
Mehr Kontrollen trotz weniger Fahrgästen
Bereits Ende Dezember war bekannt geworden, dass Bewohner:innen auf der Veddel, in Wilhelmsburg oder in Billstedt 2022 etwa jede zweite Woche am S- oder Bus-Bahnhof ihres Wohnortes ihr Ticket vorzeigen mussten. Menschen hingegen, die in den Elbvororten, Harvestehude oder den Walddörfern leben, hatten vergangenes Jahr an ihrem Wohnort höchstens eine Großkontrolle erlebt.
Die Linksfraktion hatte daraufhin die Frage aufgeworfen, ob der Verkehrsverbund „vor allem seine Erfolgsquote“ bei Kontrollen erhöhen wolle. Wer wenig Geld habe, werde sich auch durch mehr Kontrollen keinen Fahrschein leisten können, so Fraktionssprecherin Heike Sudmann. „Zurecht kritisieren Menschen auf der Veddel und aus Wilhelmsburg die unverhältnismäßig häufigen HVV-Kontrollen“, sagt Sudmann. Sie fordert: „Der HVV muss die Praxis der Kontrollen, die Menschen aus bestimmten Stadtteilen unter den Generalverdacht des Fahrens ohne Fahrschein stellt, sofort einstellen.“ Ihr Lösungsansatz: „Es braucht endlich für diese Menschen einen kostenfreien Nahverkehr.“