Weil er ein Bußgeld wegen Bettelns in der U-Bahn bekommen hat, zieht ein Wohnungsloser vor Gericht. Es geht um Grund- und Menschenrechte.
Dass Betteln in den Zügen von U- und S-Bahn in Hamburg verboten ist, hält der Wohnungslose René für Diskriminierung . Seine Anwältin geht noch einen Schritt weiter: Mareile Dedekind vom Berliner Verein „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ sieht seine Grund- und Menschenrechte verletzt, weil der Hamburger Verkehrsverbund ihm ein Bußgeld in Höhe von 40 Euro für das Betteln in der U-Bahn aufgebrummt hat. Deswegen klagen die beiden gegen das Verbot nun vor dem Hamburger Amtsgericht.
Dass Kommunen Betteln nicht grundsätzlich verbieten dürfen, haben Gerichte bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schon mehrfach entschieden – weil auch das Recht, andere anzusprechen und um Unterstützung zu bitten, geschützt ist. Nun werden Richter:innen darüber befinden, ob das auch für öffentliche Unternehmen wie den HVV gilt.
Anwältin Dedekind ist sich sicher: „Der Staat kann nicht einfach sagen: ‚Da gelten die Grundrechte nicht‘.“ Unterstützung für diese Ansicht bekommt sie aus der Hamburger Bucerius Law School: „Dass man im HVV das Betteln insgesamt verbietet, halte ich für grundrechtswidrig“, sagt deren Verfassungsrechtler Felix Hanschmann in der März-Ausgabe von Hinz&Kunzt. Erfahren Sie hier mehr über die Hintergründe.
Bettelverbot: „menschenverachtend“ und „absurd“
Arme Menschen für ihren Appell an Mitmenschlichkeit zu bestrafen, sei menschenverachtend, sagt Anwältin Dedekind: „Das Gericht hat jetzt die Möglichkeit, diese rechtswidrige Praxis zu beenden und damit bundesweit für Klarstellung zu sorgen.“ Verdrängung sei keine Lösung für soziale Probleme, betont Hinz&Kunzt-Geschäftsführer Jörn Sturm: „Es ist absurd, den Menschen, die ohnehin kein Geld haben und oft wohnungs- oder obdachlos sind, ein Bußgeld aufzubrummen.“
Die Hamburger Verkehrsunternehmen gehen seit etwa einem Jahr verstärkt gegen das Betteln in ihren Zügen vor. Nach Hinz&Kunzt-Recherchen wurden im vergangenen Jahr mehr als 2300-mal Bußgelder in Höhe von 40 Euro in U- und S-Bahn erteilt – insgesamt mehr als 92.000 Euro.