Poetry Slam ist schnell, oft bitterböse und meist sehr komisch. Hinnerk Köhns sarkastische Texte über seine Jugend im tiefsten Norddeutschland passen da genau. Am Montag ist er beim „Kampf der Künste“ zugunsten von Hinz&Kunzt mit dabei.
„Alle Kreativen haben eine Schacke“, findet Hinnerk Köhn und grinst. Das gilt natürlich auch für Poetry Slammer wie ihn, räumt der 25-Jährige gern ein. „Wir Slammer sind eine bunte Mischung. Von 13 bis 98 Jahren ist alles dabei: Leute, die einen Magister in Mathe haben, und Rentner, Schülerinnen und sogar ein Typ, der mal die Homepage von Tokio Hotel gemacht hat.“ Poetry Slam sei eine Lebenseinstellung, findet der Slampoet, Autor und Moderator.
Wie er in die Szene reingeraten ist? „Durch Erdkunde“, sagt er trocken. Echt jetzt? „In der 8. Klasse gab es eine Aufgabe, die hab ich falsch verstanden. Wir sollten über die Transsibirische Eisenbahn schreiben. Ich hab mir nur aufgeschrieben: eine Geschichte schreiben – das hab ich dann gemacht.“ Mit seinem 20-Seiten-Krimi verfehlte er zwar das Thema, kriegte aber trotzdem eine Eins für seine gute Schreibe. Seither hat er mit dem Schreiben nicht wieder aufgehört.
Momentaufnahme #7
Neben Hinnerk Köhn treten auf der Cap San Diego am Montag Hannes Maaß, Lennart Hamann, Lotta Emilia und Jasper Diedrichsen zugunsten von Hinz&Kunzt auf. Tickets im Vorverkauf unter www.huklink.de/momentaufnahme7 für 12 Euro + Vorverkaufsgebühren, Abendkasse 14 /12 Euro.
Mo, 2.9., Cap San Diego, Luke 5, Einlass 19.30 Uhr, Beginn 20 Uhr.
Ein Freund in seiner Heimatstadt Eckernförde wusste von seiner Liebe zum Wort. „Er veranstaltete regelmäßig Poetry Slams und überredete mich zum Mitmachen“, erzählt Hinnerk Köhn. „Auf der Bühne zu stehen, machte unfassbar Spaß“, erinnert er sich und klingt tatsächlich immer noch ein bisschen überrascht.
In seinen Slams erzählt er schräge, schwarze, bitterböse, komische Geschichten über seine Jugend in Eckernförde. Mal geht es darum, schwer verliebt zu sein und es nicht auf die Kette zu kriegen, mal um elende Langeweile in der Berufsschulklasse. Mühelos schlüpft er in verschiedene Rollen, die Pointen sitzen und viele im Publikum lachen mit ihm, weil sie das Leiden am schwierigen Aufwachsen in der Provinz offenbar selbst nur zu gut kennen. „In der Rückschau ist alles, was passiert ist, komisch“, findet er. „Oh Gott, ich klinge, als wäre ich 40!“
Überhaupt, Eckernförde. Für Hinnerk Köhn ist Eckernförde überall, der Ort verfolgt ihn unerbittlich. „Es ist immer einer da, der da gewohnt hat und den man kennt“, sagt er und klingt ein kleines bisschen paranoid. Mindestens einer im Publikum kommt bei jedem Auftritt aus Eckernförde, mit dessen Schwester hat man in der Theater-AG an der Schule gespielt, mit dem hat man früher abgehangen oder ist im schlimmsten Fall mit ihm sogar irgendwie verwandt. „In Berlin hab ich mal in der WG von Freunden übernachtet. Die Nachbarin klingelte, weil sie sich was leihen wollte – das war meine Ex-Freundin“ – natürlich aus Eckernförde.
Nach dem Abi dauerte es, bis er wusste, was er wollte. Nur am Poetry Slam zweifelte er nie. Hinnerk Köhn gewann mehrere Meisterschaften, als Slampoet ist er seither sehr gefragt. Mittlerweile ist er seine eigene Marke, seine Markenzeichen – schwarze Klamotten, Schiebermütze oder Hut – trägt er mit leicht übernächtigtem Szenechic auch auf der Straße. „Beim Poetry Slam wird man sehr schnell groß, anders als bei Comedy oder in der Musik“, sagt er selbstkritisch. Ein Studium der Kulturwissenschaften brach er ab, machte eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann und organisiert seit gut drei Jahren als Booker Poetry Slams – auch die mittlerweile 7. Benefiz-Veranstaltung „Kampf der Künste“ auf der Cap San Diego zugunsten von Hinz&Kunzt.
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„Ich bin viel unterwegs, muss mir viel angucken“, erzählt er. Der Markt im Poetry Slam ist groß, die Qualität eher schwankend. „Ich habe für unsere Veranstaltungen eine gute Auswahl“, sagt er zufrieden. Auch in eigener Sache ist Hinnerk Köhn oft auf Achse. Wenn er nicht als Slampoet auf der Bühne steht, dann ist er als Stand-up-Comedian für „Schund und Asche“ unterwegs oder arbeitet am nächsten Podcast „Normale Möwe“. Den Namen hat er sich in einer Folge live tätowieren lassen, erzählt er stolz. Mehr Tattoos sollen folgen, „man kann süchtig werden“, findet er.
Vor der Tür wartet schon die Fotografin, die einige Gesprächsfetzen aufgefangen hat. „Du kommst aus Eckernförde? Da hab ich mal eine Ausbildung gemacht“, erzählt sie strahlend. Hinnerk Köhn nickt ergeben. „Siehst du? Genau das meine ich.“