Hamburger Koalitionsvertrag
Hilfen und Strafen für Obdachlose

Blick in den Sitzungssaal der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius
Blick in den Sitzungssaal der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius
SPD und Grüne bilden auch in der neugewählten Hamburgischen Bürgerschaft eine Mehrheit. Heute haben sie ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Foto: Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

Im Koalitionsvertrag verspricht Rot-Grün, Wohnungslosigkeit zu überwinden – allerdings nicht, bis wann. Am Hauptbahnhof setzt die künftige Regierung weiter auf Vertreibung.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Hamburgs künftige rot-grüne Stadtregierung will am Ziel festhalten, Obdach- und Wohnungslosigkeit zu überwinden. „Wir wollen mit unserer Arbeit dazu beitragen“, heißt es dazu im am Donnerstag veröffentlichten Koalitionsvertrag. Unerwähnt bleibt allerdings die bislang ausgegebene Zielmarke 2030.  

Um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, will Rot-Grün vor allem auf den Bau von Sozialwohnungen setzen – für Menschen, die am Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Konkrete Zahlen der Wohnungen, die etwa für „Housing First“ gebaut werden sollen, nennt der Vertrag allerdings nicht. Auch will die Koalition Zwangsräumungen vermeiden und die Wohnungssicherung stärken. Hierfür will Rot-Grün die Fachstellen für Wohnungsnotfälle neu aufstellen und personell stärken. Dies war schon 2020 als Ziel im letzten Koalitionsvertrag ausgegeben worden – dennoch herrscht in den Ämtern Personalnot, Hilfesuchende müssen lange warten.  

„Nicht abfinden“ will die Koalition sich „mit der körperlichen und psychischen Verelendung der von Suchterkrankungen und Obdachlosigkeit betroffenen Menschen“. Ihnen wollen SPD und Grüne „sichtbar und nachhaltig“ helfen. Dafür sollen Notschlafstellen eröffnet werden, die den Betroffenen Schutzräume bieten. In der Repsoldstraße nahe des Hauptbahnhofs steht ein solches Projekt bereits in den Startlöchern. 

Ein Umdenken deutet sich bei den städtischen Unterkünften für Geflüchtete und andere Wohnungslose an: Sollten künftig weniger schutzsuchende Menschen in Hamburg ankommen, sollen diese Einrichtungen umstrukturiert werden. Angestrebt werden laut Koalitionsvertrag „kleinere, dezentrale Unterkünfte“.  

Mit Polizei und Ausländerbehörde gegen Obdachlose

Am Hauptbahnhof liegt ein Schwerpunkt der Koalitionäre auf Repression: Gegen „öffentliches Lagern“ und Alkoholkonsum soll „mit hoher Polizeipräsenz und hoher Kontrollintensität weiter konsequent“ vorgegangen werden und Aufenthaltsverbote erteilt werden. Weitere Alkoholkonsumverbotszonen am Hansaplatz und am Steindamm sollen geprüft werden. Im öffentlichen Nahverkehr wollen SPD und Grüne mit Kontrollen und Sanktionen die Beförderungsbedingungen durchsetzen – gemeint ist offenbar das umstrittene Bettelverbot. Außerdem ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Ausländerbehörde, Hamburger Polizei und Bundespolizei geplant, um etwa Obdachlosen ihre EU-Freizügigkeit zu entziehen und sie abzuschieben. 

Obdachlose, die aus anderen Ländern stammen und in Hamburg keinen Anspruch auf Unterstützung haben, sollen noch stärker als bislang zur Rückkehr bewegt werden. „Wir werden engere Kooperationsbeziehungen mit den Herkunftsländern aufbauen, damit die Menschen in ihre Heimat zurückkehren und dort gut versorgt werden“, heißt es dazu im Vertrag. „Hierfür werden wir uns auf der Bundesebene ebenfalls einsetzen.“ 

„Die Zahl der Obdachlosen hat sich in den letzten Jahren fast verdoppelt“, so Hinz&Kunzt-Geschäftsführer Jörn Sturm. „Um diesen Menschen zu helfen, sind nicht Absichtserklärungen nötig, sondern die Schaffung von Wohnraum. Nicht hilfreich ist die Fortsetzung der Vertreibungspolitik: Kontrolle und Sanktionen in der Innenstadt führen nur zu einer Verlagerung in andere Stadtteile.“ 

Einige Wahlversprechen umgesetzt

2020 hatte Rot-Grün im Koalitionsvertrag eine Reihe von Verbesserungen für die Versorgung obdachloser Menschen in Hamburg angekündigt. Immerhin wurden davon einige umgesetzt: „Housing First“ führte die Stadtregierung gleich zu Beginn der Legislaturperiode zunächst als Modellprojekt ein, im vergangenen November beschloss die Bürgerschaft dann eine Verstetigung. Obdachlose mit Pflegebedarf finden seit 2024 Unterstützung in einem ehemaligen Seniorenheim in Niendorf. Der im Koalitionsvertrag angekündigte Neubau der Notunterkunft „Pik As“ feierte kürzlich Richtfest. Und eine „Pension für arbeitssuchende Zugewanderte aus der EU“ wurde zwar eröffnet, inzwischen aber bereits wieder geschlossen. 

Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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