Viele ältere Menschen haben in ihrem Alltag mit dem Internet zu kämpfen, Hilfe finden sie bei Schulungen und in Digitalcafés. Der Bedarf ist riesig.
An die Geräte, fertig, los!“, ruft Dagmar Hirche im Konferenzraum der Telekomfiliale in der Spitalerstraße und schaut in gespannte Gesichter. 13 Senior:innen sitzen vor ihr und greifen zu ihren Smartphones. Angestrengtes Tippen setzt ein, vermischt mit einem Gemurmel aus Fragen. Vier Ehrenamtliche des Vereins „Wege aus der Einsamkeit“ unterstützen wo nötig. Die Internetschulungen sind immer ausgebucht, die Wartelisten lang, sagt Leiterin Dagmar Hirche. Viele haben durch Zeitungsartikel und Flyer von den Kursen erfahren. „Wir müssen alle mitnehmen in die digitale Welt, doch es gibt viel zu wenig Schulungsangebote.“
3,4 Millionen Menschen in Deutschland sind offline. Am größten ist der Anteil der „Offliner“ in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen: 17 Prozent von ihnen waren noch nie im Internet. Doch ob Deutschlandticket oder Buchungen von Arzt- oder Behördenterminen: Vieles geht nur noch online. Auch Renate Rojahn, die regelmäßig an den Kursen von Dagmar Hirche teilnimmt, kämpft mit den Hürden der Digitalisierung. Gerade versucht die 77-Jährige, online einen Besucherparkausweis zu beantragen. „Mein Sohn musste neulich zwölf Euro bezahlen, als er bei mir war. Eigentlich wären es nur drei Euro gewesen.“ Zwar hatte sie es geschafft, den Antrag im Internet auszufüllen. Doch anschließend hätte sie nur per Online-Banking bezahlen können. Das aber nutzt sie nicht, erzählt die zierliche Frau. Zwar könne ihr Sohn das für sie übernehmen, doch Renate Rojahn legt Wert auf ihre Selbstständigkeit. „Ich werde total ausgeschlossen und fühle mich echt diskriminiert“, sagt sie wütend.
Das Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel bietet seit dem Sommer 2022 Sprechzeiten zu Fragen rund um die digitale Welt an. Annegret Jenkel, Bewohnerin des Senior:innenstifts, kommt seitdem oft in das Digitalcafé. „Mir fehlt die Routine und ich verstehe vieles einfach nicht“, sagt die 79-Jährige. Zehn Ehrenamtliche, darunter geschulte Digitallots:innen und Schüler:innen, helfen den älteren Menschen. „Ich ziehe mich lieber zurück, bevor ich mich blamiere oder etwas falsch mache“, sagt Annegret Jenkel und schaut beschämt zu Boden. „Aber hier haben die Leute Geduld mit mir und ich kann alles erfragen.“ Neben den großen Hürden Online-Banking und HVV-App steht die ehemalige Krankenschwester heute vor einem neuen Problem: Wie jedes Jahr hat sie Post von den Stadtwerken bekommen, doch anders als sonst liegt ihre Stromrechnung nicht bei. Die kann sie nur noch online einsehen – wofür sie sich einen Account anlegen muss. Sie will telefonisch nachfragen, wie das geht. Nachdem sie sich erfolgreich durch die Sprachsteuerung der Stadtwerke geschlagen hat und endlich an der vermeintlich richtigen Adresse ist, fehlt ihr das Passwort für den Account, den sie noch gar nicht hat. Sie legt niedergeschlagen auf. Mit einem Ordner voller Unterlagen auf dem Schoß sitzt sie vor ihrem Laptop. Hilfe bekommt sie im Digitalcafé.
Sabine Braun kennt solche Hürden nur allzu gut. Sie ist die Leiterin der „Ämterlotsen“ der Diakonie Hamburg. „Wir haben mit Menschen zu tun, die sich abgehängt fühlen und es auch sind. Es werden immer mehr.“ In den 20 Jahren, in denen Ehrenamtliche bereits Ratsuchende jeden Alters zu Behördenterminen begleiten, hat sich viel verändert, sagt sie. „Früher sind wir einfach mit zum Amt gegangen, wenn jemand Unterstützung brauchte. Wir konnten das vor Ort regeln.“ Heute komme man nicht mal bis zum Tresen ohne Termin – und den müsse man meist online buchen. „Die existenzielle Notlage ist mittlerweile an einen Internetzugang gekoppelt. Aber es muss immer noch einen anderen Zugang zu den Ämtern geben. Komplexe Probleme lassen sich besser persönlich klären“, sagt sie.
Parkausweise, Stromrechnungen, Behördentermine: Die Senior:innen, die zur Internetschulung gekommen sind, geben ihr Bestes, um nicht abgehängt zu werden. Fleißig tippen sie auf ihren Smartphones und machen sich nebenbei Notizen auf Papier. Am Ende blickt Dagmar Hirche in 13 stolze Gesichter. Auch Annegret Jenkel gibt nicht auf. Einen Account bei den Stadtwerken hat sie sich mittlerweile eingerichtet. Trotzdem will sie bald wieder ins Digitalcafé kommen und weiterlernen – auch, wenn es anstrengend ist. „Es kommt ja immer wieder etwas Neues auf mich zu.“