Unser Schwestermagazin „Hempels“ aus Kiel feiert 20-jähriges Jubiläum. Neben der Zeitung bietet der Trägerverein eine Suppenküche, Sozialdienste, Trinkerräume und das Café „Zum Sofa“. Wir gratulieren!
Großer Bahnhof für das Straßenmagazin „Hempels“, das 1996 mit einer kleinen Auflage von 5.000 Stück begann. Im Kieler Landeshaus wird am Donnerstag das 20-jährige Jubiläum gefeiert. Zu Gast ist neben dem schleswig-holsteinischen Diakoniechef und Landespastor Heiko Naß auch Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Ein Zeichen, dass das Straßenmagazin auch politisch ernst genommen wird. „Wir werden gehört“, sagt Vorstand Jo Tein, Vorsitzender des „Hempels“-Trägervereins.
Tein gründetet das Stadtmagazin für Schleswig-Holstein 1995 in Kiel mit. Mit einer Gruppe Wohnungsloser („die machten damals alle Platte nah beim Arbeitsamt“) stemmten sie die Erstausgabe, die im Februar 1996 erschien. Zwei Mark kostete das Magazin damals, 1 Euro blieb beim Verkäufer. Wenn Tein an die Anfänge zurückdenkt, muss er lachen. „Als wir die erste Nummer aus der Druckerei abholten, dachte ich nur: ‚Wie peinlich und unprofessionell sieht das denn aus?’“ Doch die Befürchtungen, dass „niemand das Heft kaufen wird“, erwiesen sich als unbegründet. „Nach drei Wochen waren wir ausverkauft und mussten nachdrucken“, erinnert er sich.
Heute liegt die verkaufte Ausgabe bei 20.000 Stück. 220 Verkäufer bieten das Magazin für 1,80 Euro (90 Cent für den Verkäufer) nicht nur in Kiel, sondern landesweit an, auch in Flensburg, Lübeck, Husum und Schleswig. Das Besondere an „Hempels“ war, dass anfangs – anders als bei Hinz&Kunzt – die Wohnungslosen selbst die Zeitung mit Inhalt füllten. Um sich zu professionalisieren und einer sinkenden Auflage entgegenzuwirken, holte man 2003 den Journalisten Peter Brandhorst an Bord. Aber für die eigenen Texte der Verkäufer ist natürlich weiterhin Platz im Heft.
Einmalig in Deutschand ist die Schreibwerkstatt für Langzeitgefangene der JVA Lübeck, die „Hempels“ organisiert. In der Februar-Ausgabe schreibt etwa ein Gefangener darüber, was es ihm bedeutet, dass sein früherer Chef weiter an ihn glaubt. Für die Schreibwerkstatt Projekt gab es 2015 den Sonderpreis des Ingeborg-Drewitz-Literaturpreises für Gefangene.
Neben der Straßenzeitung bietet der „Hempels“-Trägerverein zudem soziale Projekte wie eine Suppenküche (täglich mehr als 100 Mahlzeiten werden ausgegeben), zwei Trinkerräume und eine Sozialberatung an. Das Café „Zum Sofa“ ist bereits seit 1999 ein beliebter Treffpunkt für Obdachlose und Menschen mit geringem Einkommen in Kiel geworden.
Im Dezember 2014 wurde die „Hempels“-Stiftung gegründet. Derzeit wird überlegt, ob man von den Hilfsgeldern Wohnungen und Mobilhäuser aus Holz (60 Quadratmeter) in Kiel und Umland kaufen kann. Diese sollen dann zu preisgünstigen und fairen Mieten an Wohnungslose und „Hempels“-Verkäufer vermietet werden.
Denn: Das Thema Wohnungsnot ist heute noch genau so aktuell wie im Gründungsjahr 1996, so Jo Tein. Deshalb will das „Hempels“-Team die Feier zum 20. Jubiläum an prominenter Stelle auch nutzen, um – wie gewohnt – Misstände anzuprangern: „Wir sind da nicht nur, um uns abzufeiern, an so einem Tag wird auch politisch diskutiert“, sagt Jo Tein kämpferisch.
Text: SIM/epd
Foto: Simone Deckner