Was die Große Koalition als „Rechtsvereinfachung“ verkaufen will, bedeutet für Hartz-IV-Empfänger offenkundig Verschlechterungen. Kritiker warnen vor wachsender Altersarmut.
Sollten die Regierungsparteien den Plänen der Bundesregierung zustimmen, drohen Hartz-IV-Empfängern in Deutschland bald Verschlechterungen. Das geht aus einer „Formulierungshilfe“ hervor, die das Arbeitsministerium Union und SPD übermittelt hat. Demnach will die Regierung gesetzlich festschreiben, dass Ältere künftig regelhaft die Hilfe gestrichen bekommen, wenn sie sich weigern, vorzeitig in Rente zu gehen. Die Linksfraktion spricht deshalb von „Repressionsverschärfung“.
Bereits seit einigen Jahren fordern Jobcenter ältere Langzeitarbeitslose dazu auf, sich vorzeitig verrenten zu lassen, wenn sie diesen keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr einräumen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nennt das „Zwangsverrentung“, zumal der Schritt für die Betroffenen in der Regel mit erheblichen Geldeinbußen verbunden ist.
Wie viele Hartz-IV-Empfänger in Deutschland betroffen sind, ist laut Bundesagentur für Arbeit nicht bekannt. Auch über die Geldsumme, die die Jobcenter einsparen, weil sie den Menschen nicht länger Hilfe auszahlen müssen, gibt es keine Angaben. Der Sozialverband Deutschland wies darauf hin, dass Langzeitarbeitslose keine Chance haben vorzusorgen: „Diese Frühverrentung führt direkt in die Altersarmut.“
Weniger Geld für getrennt lebende Eltern
Auch weitere von der Regierung geplante Änderungen sorgen für Kritik. So sollen die Ämter getrennt lebenden Müttern künftig tageweise die Hilfe kürzen, wenn ihr Kind zu Besuch beim Vater ist. Und: Jobcenter sollen die Möglichkeit bekommen, Hilfeempfänger länger als bisher in Ein-Euro-Maßnahmen schicken zu können – erstaunlich angesichts des Umstands, dass die Zahl der Maßnahmen für Langzeitarbeitslose bundesweit von knapp 140.000 vor zwei Jahren auf unter 90.000 gesunken ist.
Das Gesetz zur „Rechtsvereinfachung SGB II“ wurde kürzlich nach erster Lesung im Bundestag zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Am 30. Mai hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales Experten zur Anhörung geladen, die im Internet live übertragen wird.
Der Bundesrat hat bereits im März Änderungen angemahnt. So sollen Jobcenter Hilfeempfängern nicht länger das Geld für Unterkunft und Heizung streichen können und sie so schlimmstenfalls in die Obdachlosigkeit drängen. Außerdem fordert die Länderkammer mehr Geld für Kinder und Jugendliche. Erwerbloseninitiativen wie „Tacheles“ fordern zahlreiche Verbesserungen, etwa die pauschale Übernahme der steigenden Energiekosten durch die Ämter.
Text: Ulrich Jonas
Foto: Kurt F. Domnik /pixelio.de