Rapper Captain Gips : Hart, aber herzlich

Captain Gips ist schwer zu fassen: Er rappt gegen Stumpfsinn und für freie Tage im Bett. Am 1. März spielt der wortgewaltige Wedeler ein Benefiz-Konzert für Hinz&Kunzt.

(aus Hinz&Kunzt 252/Februar 2014)

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Hat gerade gut lachen, kann aber auch richtig garstig sein: Hip-Hopper Captain Gips.

Die Rehbar in Ottensen: Auf dem Fußboden liegt ein Hund wie ein Wollteppich. Das Bild eines Fuchses ziert die Getränkekarte. Es würde einen nicht wundern, wenn ein sprechender Papagei vor der Toilette Geld kassieren würde. Der Mann, der sich Captain Gips nennt, sitzt im Hinterzimmer in einer Fensternische. Der 35-Jährige gehört quasi zum Inventar. Er hat hier in der letzten Zeit ständig gehockt. Und Kaffee um Kaffee getrunken, Zigarette um Zigarette geraucht – legales Doping fürs Songschreiben.

Captain Gips macht Hip-Hop. Im Herbst ist sein aktuelles Album „20.000 Meilen unter dem Yeah“ beim Hamburger Indie-Label Audiolith erschienen. Hurensöhne, dicke Autos und Schwanzvergleiche kommen darauf nicht vor. Solche Themen überlässt er Pseudo-Gangstern wie Bushido. Captain Gips erzählt lieber von Bettlern, iranischen Frauen, Obdachlosen, seiner Wut über die Verhältnisse und von seinem kleinen Sohn. „Zeckenrap“, sagt Arne, so sein bürgerlicher Name. Das ist selbstironisch gemeint. Rapper, die politisch links stehen, tragen die Beleidigung Zecke wie eine Auszeichnung.

Mit Politik wurde Arne schon früh konfrontiert: Der Vater arbeitete für Amnesty und die Grünen. Zu Hause gab es viel Lesestoff. Ein Buch über die Gräuel des Nationalsozialismus hat seine politische Einstellung bis heute geprägt.

Er begann in den 90er-Jahren zu rappen – ausgerechnet im bürgerlichen Wedel. Die Tourismusbehörde verkauft die 32.000 Einwohner zählende Kleinstadt als „Stadt mit frischem Wind“. Als Jugendlicher war sie für Arne aber vor allem eins: „langweilig“. Und so tat er das, was unzählige gelangweilte ­Jugendliche vor ihm taten: Er färbte sich die Haare bunt, kiffte und schrieb Songs. Auf Hip-Hop brachte ihn sein großer Bruder. „Der hat mir zum Geburtstag eine Platte von Public Enemy geschenkt“, sagt Arne. Es folgen deutsche Bands wie Beginner, Advanced Chemistry und Fettes Brot. Irgendwann versuchte er es selbst. Worum ging es in seinem ersten Song? „Das hört sich wie ein Klischee an, aber das war ein Song ­gegen Nazis“ sagt Arne.

Seinen Künstlernamen Captain Gips hat er sich von einem stadtbekannten Trinker geliehen: „Der hing ständig mit anderen am Bahnhof rum. War immer ein bisschen grimmig und hat Leute angeraunzt. Eines Tages war er dann plötzlich weg. Später bekam ich mit, dass er gestorben ist. Manche schienen fast froh zu sein, dass er weg war. Das hat mich geärgert. Indem ich seinen Namen übernommen habe, wollte ich ihm ein Denkmal setzen.“

Wenn heute die Wut in ihm aufsteigt, fängt Arne an zu schreiben: „Hip-Hop ist mein Rettungsreifen“, heißt es in einem seiner Songs. Mit der vermeintlichen Erfolgsformel des Kapitalismus „höher, schneller, weiter“ kann er hingegen gar nichts anfangen. Weil zu viele auf der Strecke bleiben. „Und du sagst, den anderen geht es noch viel schlechter / Und ich hätte gar kein Grund, hier so zu meckern. / Du spendest 20 Cent für einen Bettler / Und fühlst dich besser.“, rappt er in „Gutes Gewissen“. Bei der Gesellschaftskritik nimmt er sich selbst nicht aus: „Es schockiert einen, wie man selber abstumpft. Da liegt einer auf dem Boden. Man weiß nicht, ob der schläft oder tot ist und geht doch meist vorbei.“

Also voll der Runterzieher-Rapper, dieser Captain Gips? Mitnichten. Neben dieser ernsten gibt es auch noch eine andere Seite, die ihm ebenso wichtig ist: die des „Lass mal fünfe gerade sein“-Captains. Der sich die Sonne auf den Bauch wünscht und den Tag im Bett verbringen möchte, als „Bettman“. „Dafür wurde ich schon kritisiert: dass bei mir die Linie fehlt“, sagt er. Dabei sei die Sache doch ziemlich einfach: „Kein Mensch ist immer nur wütend. Kein Mensch ist immer nur gut drauf.“

Und so springt Captain Gips zwischen seinen Songs herum wie ein hyperaktives Känguruh – und wird in manchen Momenten sogar ganz weich. „Später wird dir dieses Lied vielleicht peinlich sein“, heißt es in „Lil Captain“, einem Song für seinen kleinen Sohn. Es ist ein Song darüber, dass alle Sorgen verschwinden, wenn der Knirps lacht. Man könnte ihn kitschig nennen. Captain Gips weiß das. Es ist ihm schnuppe. „Man weiß ja nie, ob man mal von einem Auto überfahren wird“, sagt er, „mein Sohn weiß durch den Song jedenfalls, dass sein Vater ihn sehr geliebt hat.“

Text: Simone Deckner
Foto: Dmitrij Leltschuk

Captain Gips, Spion Y und Radical Hype spielen für Hinz&Kunzt, Sa, 1.3., Villa Wedel, Mühlenstraße 35, 22880 Wedel, 20 Uhr, 5 Euro