Ein Interview mit dem Schauspieler Hardy Krüger junior, der derzeit in „Ziemlich beste Freunde“ in den Hamburger Kammerspielen auf der Bühne steht.
(aus Hinz&Kunzt 253/März 2014)
Hinz&Kunzt: Sie und den Rollstuhlfahrer Philippe verbindet Trauer. Er verlor seine Frau, Sie haben Ihren acht Monate alten Sohn vor drei Jahren durch den plötzlichen Kindstod verloren. Trauern Sie beide ähnlich?
Hardy Krüger jr.: Ich glaube, dass Philippe den Verlust nicht verkraftet hat, seiner Frau eigentlich nah sein wollte, was ihn dann dazu getrieben hat, beim Paragliding die Schlechtwetterwarnung einfach zu ignorieren und für sich gesagt hat: „Ja, mein Gott, wenn’s halt so ist, dann bin ich meiner Frau wenigstens wieder etwas näher.“ Dieses Gefühl kann ich schon verstehen. Wenn man einen geliebten Menschen verliert und ihn zur letzten Ruhestätte trägt, möchte man sich am liebsten einfach dazulegen. So ging’s mir.
Warum haben Sie sich entschieden, bei „Ziemlich beste Freunde“ mitzuspielen?
Es geht um ein sozialkritisches Thema, das sehr gut abgepackt ist in einer Geschichte, die dich mit sehr schönen Pointen eigentlich zum Lachen und zum Nachdenken bringt. Man fragt sich, wie kann jetzt ein Behinderter einfach so damit leben und einfach so damit umgehen und dann auch noch Humor haben. Und auch diese Konstellation – jemand, der von der Straße kommt (Driss – Anm. d. Red.), der eigentlich in einem schlechten sozialen Umfeld lebt, der aber einfach ein herzensguter Mensch ist und dann Philippe – das ist einfach eine ganz toll geschriebene Geschichte.
„Keine Begegnung passiert ohne Grund.“
Wo ist bei diesem Stück die Herausforderung?
Gelähmt zu sein. Ich bin ein sehr agiler und ein sehr aktiver Schauspieler auf der Bühne. Für mich ist dieser Rollstuhl eine Metapher für genau diese Zwänge und all diese Sachen, die mich blockieren, mich zurückhalten, Dinge zu tun, die ich gerne machen möchte. Das Interessante ist ja auch, dass der Philippe, den ich jetzt spiele, ein bisschen jünger ist als der ursprüngliche im Film. Das gibt natürlich noch mal eine größere Brisanz, eben auch, weil Driss halt einer ist, der tanzt und macht und tut und sich bewegt. Das erzeugt auch eine gewisse Wut.
Welche Erfahrungen haben Sie mit ungewöhnlichen Begegnungen oder auch Freundschaften gemacht?
Ich hatte einen sehr guten Freund, leider ist er nach Amerika zurückgegangen. Er hieß John Johnson und war auch ein Farbiger gewesen. Der kam aus den Südstaaten. Er hat Modeschmuck gemacht und war DJ, und das war so eine ähnliche Freundschaft wie zwischen Philippe und Driss. Das waren zwei so komplett verschiedene Weltbilder, die da aufeinandertrafen, die sich gut fanden und voneinander auch was gelernt haben und sich durch diese Konstellation dann einfach wieder ganz anders entwickelt haben. Das ist toll! Das ist schön. Und so sollte es ja auch sein, weil keine Begegnung ohne Grund passiert.
Dann glauben Sie wohl ans Schicksal?
Schicksal klingt immer pseudo-esoterisch. Ich glaube, dass es bestimmt ist. Es gibt ja manchmal so Begegnungen, da denkst du, dass da zwei Kometen dermaßen ineinandergekracht sind, und man denkt so: „Wow, was ist jetzt los?“ Solche Sachen passieren.
„Schauspieler sind ja sowieso Zigeuner, Gipsys.“
Als Kind sind Sie sehr oft umgezogen – Italien, Holland, Spanien, Tansania, Deutschland …
Das hat als Kind natürlich den Nachteil, dass du deine Freunde immer wieder aufgeben musst. Deswegen wirst du dann so ein bisschen zu einem Einzelkämpfer, aber das ist okay, weil du ungebunden bist. Ich hab dadurch relativ schnell gelernt, mich zurechtzufinden, mich zu organisieren, und ich komm eigentlich überall klar. Für dich steht die ganze Welt offen, weil du weißt, du bist mit vier Sprachen aufgewachsen und du hast viel gesehen von der Welt, du hast eine Orientierung, weißt, wo du bist, wenn du unterwegs bist. Klar, Schauspieler sind ja sowieso Zigeuner, Gipsys. Das ist ein Leben, was ich mir ausgesucht habe und was ich sehr genieße.
Wie bedeutet Heimat für Sie?
Heimat ist da, wo du verstanden wirst.
Es hängt also mehr von den Menschen ab, als vom Ort?
Der Ort ist völlig unwichtig. Verstanden möchte man sich fühlen, dann kann man auch ankommen. Ich sehe es ja auch immer wieder, wie viele Menschen Kompromisse eingehen und eigentlich nicht glücklich sind, weil sie dort, wo sie leben, nicht verstanden werden.
„Ich glaube, dass Erfolg auch viel damit zu tun hat, dass man den Arsch hochkriegt.“
Mit einer Familie aber muss man doch Kompromisse machen?
Aber die Liebe ist ja da. Bedingungslos! Kinder sind ja so ehrlich. Letztens war ich länger unterwegs und bin dann nach Hause gekommen. Und ich kam zur Tür rein und meine kleine Layla – sie ist jetzt ein Jahr alt – hat mich angeschaut, dann ist sie aufgestanden, hat erst mal geklatscht und ist zum ersten Mal drei Schritte gelaufen. Sie hat gewartet, bis ich nach Hause komme! Das ist doch geil, oder? Ich glaub, die wird Schauspielerin (lacht).
Wäre es schlimm, wenn das so wäre?
Nein, überhaupt nicht. Man muss halt nur wissen, dass es nicht immer leicht ist. Der Jazzmusiker bei Asterix, wissen Sie, wie der heißt?
Nein. Wie?
Nogix (in Anlehnung an engl. „no gigs“, zu dt.: „keine Auftritte“ – Anm. d. Red.). Find ich super! (lacht). Und so ist das manchmal. Nur: Ohne Talent wirst du irgendwann einmal daran scheitern. Daraus muss man was Großes machen können. Ich glaube, dass Erfolg auch viel damit zu tun hat, dass man den Arsch hochkriegt, auch wenn man keinen Bock dazu hat. Man muss immer wieder aufstehen und machen, machen, machen und sich dann aber auch dessen bewusst sein, dass man auch wieder auf die Nase fliegen kann. Viele Sachen, die du dir aufgebaut hast, können dir auch ganz schnell wieder genommen werden.
„Ich bin vor einer Premiere immer sehr aufgeregt.“
Dass Menschen etwas genommen wird, haben Sie hautnah in Laos und Thailand erlebt in Ihrer Funktion als Unicef-Botschafter.
Ich engagiere mich für ein Projekt gegen Kinderprostitution in Laos und Thailand. Da haben wir mal Mädchen gesucht, die verschleppt worden sind durch sogenannte „Broker“ – Frauen im mittleren Alter, die sehr wohlhabend sind. Sie fahren in Dörfer, wo die Familien meistens so um die zwölf Kinder haben, meistens sind sie Reisbauern, haben keine Ahnung von nichts, können weder lesen, noch schreiben. Die „Broker“ sagen dann: „Pass auf, ich nehme deine Kinder mit. Die kriegen einen guten Job.“ Und: „Hier hast du schon mal sechs Dollar, dann kannst du das Dach noch reparieren und deine Kinder bringen dann das Geld nach Hause.“ In Wirklichkeit sehen die Bauern ihre Kinder nie wieder, die landen meist in irgendwelchen Bordells. Wir haben deshalb ein Zentrum in Laos aufgebaut, wo die Kinder aufgenommen werden können. Da werden sie medizinisch betreut und können da erst einmal bleiben, bis man die Familien wieder ausfindig gemacht hat und sie zurückbringen kann.
Sie haben vor vier Jahren ein Mädchen aus Thailand adoptiert. Wie haben Sie es gefunden?
Wir sind durch das thailändische Königshaus in die ganzen Krankenhäuser gekommen, um mal zu sehen, wie das ganze System funktioniert. Dort können Frauen anonym entbinden und die Kinder auch da lassen. Wir waren auch in einem Waisenhaus. Ich bin da reingekommen und hab die Vinas gesehen. Das war eine Situation wie: „Da bist du ja!“
War das auch eine vorbestimmte Begegnung?
Ja! Sie guckte mich an nach dem Motto: „Wo warst du denn die ganze Zeit?“ Ich weiß nicht – das war gleich so, als wäre das unser Kind.
Am 23.März ist Premiere. Was machen Sie üblicherweise vor so einem Auftritt?
Wenig schlafen, weil ich dann einfach nicht schlafen kann. Ich bin immer sehr aufgeregt, aber das gehört einfach alles dazu.
Interview: Maike Plaggenborg
Foto: Daniel Cramer
Ziemlich beste Freunde: Premiere, So, 23.3., 19 Uhr, Hamburger Kammerspiele, Hartungstr. 9–11, 19/39 Euro