Frank Kürschner-Pelkmann blickt in seiner historischen Kolumne auf das Leben von Hanne Mertens zurück.
„Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei. Erst Adolf Hitler und dann die Partei.“ Das sang die Schauspielerin Hanne Mertens bei einer fröhlichen Feier mit viel Alkohol am 4. Februar 1945. Was sie nicht ahnte: Unter den Feiernden waren zwei Gestapo-Männer und die verhafteten sie am folgenden Tag. Sie wurde in das von der SS kontrollierte Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert, verhört und misshandelt. Die Nazi-Schergen zeigten ihre ganze Brutalität und die schöne Schauspielerin war ein bevorzugtes Opfer.
Geboren wurde Hanne Mertens am 13. April 1909 in Magdeburg und wuchs in Berlin auf, wo sie ein Mädchengymnasium besuchte. 1928 begann sie eine Schauspielausbildung und spielte anschließend auf verschiedenen Bühnen. Als die Nazis an die Macht kamen, hielt Mertens mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Über Hitler sagte sie öffentlich, er sei ein Schmierenkomödiant. 1938 ließ die Gestapo sie in ihrem Wohnort München beobachten.
1943 wechselte die Schauspielerin an das Hamburger Thalia Theater. Ihre umfangreiche Akte wurde nach Hamburg weitergeleitet und die hiesige Gestapo observierte sie. Das ahnte Mertens vermutlich nicht. Im Thalia Theater feierte sie Erfolge. Die Tragödie hatte zu dieser Zeit die Theater verlassen und fand im Alltagsleben statt. Der „Endkampf“ hatte begonnen, und die Nazis reagierten brutal auf Kritik. Hanne Mertens ließ sich den Mund nicht verbieten. Hätte es viele Deutsche mit diesem Mut gegeben, die Naziherrschaft hätte wohl sehr viel früher geendet. So aber wurde Hanne Mertens verhaftet und gequält. Man sperrte sie in eine Zelle von drei Schritt Länge und 60 Zentimeter Breite.
Am 20. April 1945 standen die britischen Truppen kurz vor Hamburg. Hanne Mertens und einige andere Frauen wurden an diesem Tag aus ihren Zellen geholt. Statt wie erwartet in die Freiheit entlassen zu werden, verlegte man sie ins KZ Neuengamme. Hier wurde Hanne Mertens in der Nacht vom 22. auf den 23. April erhängt, kurz bevor die britischen Truppen das Lager erreichten. Sie gehörte zu den letzten Toten des Lagers.
1964 erinnerte der Theaterchronist Paul Möhring anlässlich der „Woche der Brüderlichkeit“ an die fast vergessene Hanne Mertens: „Worte des Gedenkens gebühren auch jener mutigen Schauspielerin, die ihre anständige Gesinnung auf der Zunge trug und dafür mit dem Leben büßen musste.“ Mittlerweile erinnert ein Straßenname an Hanne Mertens – und ein leerer Stuhl. 1986 entstand in Niendorf ein „Denkplatz“: Um einen ovalen Marmortisch stehen zwölf leere Backsteinstühle, elf tragen Messingschilder für Frauen und Männer des Widerstandes, einer ist für Besucher bestimmt, die sich mit den Opfern der Nazis identifizieren. 2007 wurde der 2000. Stolperstein in Hamburg für Hanne Mertens vor dem Thalia Theater gesetzt.