Zwei Hausbesetzungen beschäftigten am Wochenende die Hamburger Polizei. In der Altonaer Breite Straße und im Karoviertel protestierten Aktivisten so gegen Leerstand und Verdrängung. Ihnen drohen jetzt Geldstrafen wegen Hausfriedensbruchs.
Mit zwei Hausbesetzungen haben Aktivisten am Wochenende gegen Leerstand und für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum protestiert. Die Aktionen verliefen allerdings äußerst unterschiedlich: Am Samstag besetzten etwa 100 Aktivisten begleitet von lauter Techno-Musik die seit Jahren leer stehenden Häuser in der Breite Straße 114 und 116 und feierten dort eine Party. Als die Polizei am Abend das Gebäude räumen wollte, hatten sich die meisten Besetzer bereits aus dem Staub gemacht. Die Polizei traf nach eigenen Angaben nur noch zwei Personen an.
Nach den Plänen des Eigentümers sollen die Altbauten einem Neubau weichen. Doch der Abriss ist umstritten: Denn in dem Neubau werden keine Sozialwohnungen geschaffen. „Es bleibt der Eindruck, dass es den politisch Verantwortlichen zu keinem Zeitpunkt darum ging, die Häuser zu erhalten“, sagt Mieter-Helfen-Mietern-Anwalt Mark Meyer: „Der Bezirk hat die Chance verpasst, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ Christian Trede, Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion in Altona, weißt die Kritik zurück. „Nach den Vorgaben der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt müssen erst bei Bauvorhaben von 30 Wohneinheiten ein Drittel Sozialwohnungen geschaffen werden“, so Trede. „Das Bauvorhaben in Altona liegt weit unter dieser Grenze.“
Hinter der Besetzungsaktion am Samstag verbirgt sich die Initiative „Kein Abriss!“. Die Gruppe hatte bereits im April ein leerstehendes Gründerzeithaus in der Weidenallee kurzfristig besetzt und mit der Aktion für den Erhalt bezahlbaren Wohnraums protestiert. Zuspruch bekommen die Besetzer von der Linkspartei: „Wenn der Senat versagt, kommen Hausbesetzungen wieder in Mode und das ist gut so“, sagt Norbert Hackbusch, Bürgerschaftsabgeordneter aus Altona.
Besetzung trotz geplanter günstiger Mietwohnungen
Ganz anders verlief die zweite Besetzung am Sonntag: Am Nachmittag drangen vermummte Aktivisten in ein leer stehendes Wohnhaus im Karolienenviertel ein und errichteten Barrikaden vor dem Gebäudekomplex in der Marktstraße 137. Mit ihrer Aktion wollten sie auch auf die Vertreibung von Mietern durch Aufwertung protestieren. „Ganze Viertel werden umstrukturiert, aufgehübscht und somit bewusst teurer gemacht“, heißt es in einem Schreiben. Die Forderung der Besetzer: Wohnraum für jeden – „unabhängig von Nationalität, Alter, Geschlecht und sozialem Stand“. Gegen 18 Uhr beendete die Polizei die Besetzung des seit vielen Jahren leerstehenden Gebäudes. Immer wieder hatten Kritiker eine Nutzung als Wohnraum gefordert.
„Wir haben uns gewundert, wieso ausgerechnet dieses Haus besetzt wurde“, sagt Lars Schmidt-Gregersen von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg). Denn in dem um 1893 errichteten Gebäude sollen sechs öffentlich geförderte Wohnungen entstehen, für die für 21 Jahre niedrige Mietpreise festgelegt sind: Nach Fertigstellung beträgt der Quadratmeterpreis laut der Förderrichtlinien der Wohnungsbaukreditanstalt 5,35 Euro, nach 21 Jahren werden es dann 8,35 Euro sein. Einziehen dürfen demnach dort nur Mieter, die ihre Wohnung wegen Sanierungsarbeiten verlassen müssen, oder „vordringlich Wohnungsuchende“, also Wohnungslose oder von Wohnungsnot bedrohte. „Auch die Künstler werden nicht aus ihren Ateliers im Hinterhaus vertrieben, sondern dürfen nach der Sanierung wieder einziehen“, sagt Schmidt-Gregersen. Die Steg hatte das Gebäude im November 2010 in einem maroden Zustand von der Stadt übernommen und seitdem mit den Künstlern verhandelt sowie Gutachten erstellen lassen. Bereits seit vielen Jahren steht es leer. Die Sanierungsarbeiten würden aber „demnächst“ beginnen, sagt Schmidt-Gregersen.
Strafen für Besetzer
Für die Aktivisten werden die Besetzungen vermutlich ein Nachspiel haben. Zwar ließ die Polizei sie nach Feststellung der Personalien gehen, aber ihnen drohen trotzdem Strafanzeigen: „Wir werden bestimmt Anzeige stellen, wenn etwas beschädigt wurde“, sagt Schmidt-Gregersen von der Steg. Auch gegen die beiden Besetzer aus der Breiten Straße ermittelt die Polizei wegen Hausfriedensbruchs. In der Regel sei in solchen Fällen in Hamburg mit einer Strafe von etwa einem Monatsgehalt zu rechnen, sagt Rechtsanwalt Meyer – sofern die Besetzer nicht vorbestraft sind. Nach einer Besetzung des ehemaligen Finanzamts in Altona war es etwas weniger: In diesem Fall wollte die Staatsanwaltschaft die 44 Aktivisten jeweils mit 500 Euro belangen – die Gerichtsverfahren laufen noch.
Text: Jonas Füllner und Benjamin Laufer