Peter Bruns und Claas Möller fotografieren mit Vorliebe Gebäude, die andere hässlich finden: Flachbauten. Dafür gab es schon vor Abschluss ihrer Arbeit einen Preis.
Peter Bruns hat auf seinem Laptop eine Präsentation geöffnet: 37 Fotos von historischen Gebäuden. Es handelt sich nicht um prächtige Gründerzeitensembles und auch nicht um Hochhäuser – eher um das Gegenteil. Peter Bruns fotografiert Flachbauten. „Das hier ist doch das beste Beispiel“, sagt er und deutet auf einen grauen, mit Werbebannern behängten Kasten, einen Sexshop an der Reeperbahn. „Schön sind die Dinger nicht unbedingt.“
Bruns, hauptberuflich Tischlermeister am Thalia Theater, war monatelang in Hamburg unterwegs, zusammen mit seinem Kompagnon, dem Designer und Buchgestalter Claas Möller. Mehr als 100 Flachbauten haben die beiden freischaffenden Fotografen dokumentiert, immer als Ensemble mit den Nachbargebäuden. Es sind Werkstätten und Bars, Wohnhäuser und Kioske. Was die Gebäude gemeinsam haben: Sie haben höchstens zwei Stockwerke, und sie stammen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
„Noch gibt es diese Narben im Stadtbild.“
Peter Bruns
„Diese Gebäude sind einige der wenigen noch verbliebenen Spuren der Zerstörung“, so Bruns. „Häufig sind sie in Kriegslücken entstanden. Es sind Provisorien, die die Zeit überdauert haben. Noch gibt es diese Narben im Stadtbild, aber sie verschwinden mehr und mehr.“
Die Fotografen Bruns und Möller dokumentieren architektonische Unikate – damit sind sie idealtypische Gewinner des Georg-Koppmann-Preises. Die Stadt vergibt den mit 8000 Euro dotierten Preis alljährlich „für eine künstlerisch-dokumentarische Auseinandersetzung mit dem sich verändernden Stadtbild Hamburgs“.
„Unser Ansatz war die optische Besonderheit“, meint Bruns. „‚Das kann doch weg‘, sagen manche über Flachbauten. Aber es geht uns nicht darum, für die Erhaltung zu plädieren. Es geht darum, diese skurrilen Gebäude im Stadtbild zu dokumentieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie rasend schnell verschwinden, im Zuge von Nachverdichtung und Optimierung von Stadtraum.“
Denkmalschutz ist für vom Abriss bedrohte Flachbauten selten eine Option, wie die Fotografen festgestellt haben. Solche Gebäude seien meist improvisiert und stammten aus verschiedenen baulichen Epochen.
Claas Möller ergänzt, dass die Arbeit an dem Thema auch nostalgisch motiviert war: „Bei mir ruft es Erinnerungen an meine Kindheit hervor. Ich habe eine Zeit lang in Wandsbek gelebt, in einer Straße mit vielen Flachbauten. Die sind nach und nach verschwunden und mit ihnen auch der Himmel.“
Bekannte Motive sind bei Bruns und Möller die Ausnahme. Nur die Gebäude, in denen Bars und Clubs residieren, sind über den jeweiligen Stadtteil hinaus bekannt. Dazu gehören „Logo“ und „Mayday“ und die Kiez-Läden „Zum Silbersack“, „Lehmitz“ und „Prinzenbar“. Auf St. Pauli werden die beiden Fotografen mittlerweile häufig erkannt.
„,Ey, ihr seid doch die Flachbau-Typen‘, heißt es dann“, erzählt Bruns schmunzelnd. „Und schon ist man im Gespräch. Jeder hat eine Meinung zu diesen Gebäuden! Es ist ja auch keine reine Architekturfotografie, es geht um die belebte Stadt. Bei Fotografie im öffentlichen Raum spielt der Mensch eine Rolle. Sie ist ein Zeitdokument. Was haben die Menschen auf den Fotos für Kleidung an, was stehen da für Autos?“
Den historisch-dokumentarischen Ansatz teilen Bruns und Möller mit dem Namensgeber des Preises. Georg Koppmann fertigte bis zu seinem Tod im Jahr 1909 Tausende Aufnahmen der sich rasant wandelnden Metropole an. Im Auftrag der Stadt dokumentierte er einschneidende Veränderungen, so den Bau der Mönckebergstraße oder den Abriss der Gängeviertel in der heutigen Speicherstadt.
Bruns freut sich über den Preis, bedauert aber, dass es bei der Stadt festangestellte Fotograf:innen wie einst Koppmann nicht mehr gibt. „Dabei wäre es doch wichtig zu schauen, wie sich die Stadt verändert. Flachbauten sind häufig improvisierte Läden. Was passiert, wenn die Läden darin verdrängt werden? Kann sich eine Stadt so etwas leisten?“