Hamburger Alsterfleete

Stadtentwicklung, auch für Fische

Im Innern der grünen Schute, die auf Höhe Admiralitätsstraße 10 ankert, wachsen sogar Wasserpflanzen, da die Unterseite geöffnet ist. Foto: Miguel Ferraz
Im Innern der grünen Schute, die auf Höhe Admiralitätsstraße 10 ankert, wachsen sogar Wasserpflanzen, da die Unterseite geöffnet ist. Foto: Miguel Ferraz
Im Innern der grünen Schute, die auf Höhe Admiralitätsstraße 10 ankert, wachsen sogar Wasserpflanzen, da die Unterseite geöffnet ist. Foto: Miguel Ferraz

Die Alsterfleete sind ein wichtiger Lebensraum, für wandernde Fische zum Beispiel. Ein Spaziergang durch die Hamburger Innenstadt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Das Wasser wird einem, als Mensch, der in Hamburg lebt, doch sehr bewusst: Während man an den Kanälen entlangradelt, sich auf den Alsterwiesen trifft, den Besuch über die Brücken der Speicherstadt führt oder von der U3 aus auf den Hafen blicken kann. Allerdings entgeht einem als beiläufig das Wasser betrachtender Mensch so einiges: Nicht nur, was dort so umherschwimmt, lebt und wächst, sondern auch, was dort vielleicht nicht mehr umherschwimmt, lebt und wächst. Wie viel passiert eigentlich dort, im Großstadtgewässer, unten in der Hamburger Alster?

Um das genauer herauszufinden, kann man sich auf die Audiotour des Projekts „Lebendige Alster“ begeben. Sie beginnt am Baumwall, und während all die anderen Menschen um einen herum in Richtung Elbphilharmonie und Landungsbrücken streben, steht man selbst vor einem Abwasserkanalhäuschen. Das wurde 1904 für Kaiser Wilhelm II. gebaut, der sich die moderne Kanalisation der Hansestadt mal ansehen wollte, erzählt die Audiotour-Stimme. Diese Stimme wird einen gleich noch weiter in die Vergangenheit der Stadt führen; wird erzählen, welche Bedeutung die Alsterfleete einst für Hamburg und seine Handeltreibenden hatten, dass beispielsweise Waren und Lebensmittel über sie transportiert wurden, sie lange Zeit aber auch als Müllkippe für Urin und Hausabfälle dienten. Und welche Bedeutung ihnen heute zukommt – da sie wirtschaftlich nicht mehr so wichtig sind, in ihren Gewässern aber wichtiger Lebensraum entstehen könnte.

Fleete können Lebensraum werden.

Das Projekt „Lebendige Alster“ arbeitet seit 2012 daran, die Alster und ihre Fleete wiederzubeleben: Es sollen wieder mehr Fische, aber auch Wasserpflanzen, Fischotter, Krabben und Muscheln sich dort wohlfühlen, sich fortpflanzen oder durch die Stadt wandern können. Eine große Herausforderung für dieses Projekt ist die Fleetstadt, die zwischen Elbe und Alster liegt. Sie bietet kaum Strukturen für diese Lebewesen, wegen ihrer glatten Ufer und ihrem kahlen Grund. Deshalb verläuft die Tour, die in der App „Natürlich Hamburg!“ der Hamburger Umweltbehörde kostenlos angeboten wird, auch genau an diesen Fleeten entlang.

Vom Baumwall aus führt sie einen über die Schaartorbrücke, hin zur Deichstraße, über die Nikolaikirche, nah am Neuen Wall entlang zum Jungfernstieg. Rund drei Kilometer, auf denen die App immer wieder etwas berichten möchte; es leuchtet dann ein Hinweis auf, wie: „Wollen Sie sich etwas zur Mühlenschleuse anhören?“ Sie führt einen über Treppen, durch schmale Gassen, und steht man direkt vor dem Nikolaifleet, erzählt sie, er unterliege täglichen Tideschwankungen. Wenn man sich umsieht, sucht man vergeblich nach Rückzugsorten für Tiere, dafür bräuchte es Totholz oder Ähnliches, in dem sie sich verbergen könnten. Sowieso finden Fische, die – wie beispielsweise Meerforellen, Lachse und Aale – von der Elbe in den Oberlauf der Alster wandern, kaum Verstecke und Nahrung auf ihrer Reise durch die Hamburger Innenstadt.

Hier geht noch was: Blick auf den Nikolaifleet, der Fischen wenig Freude bereitet. Foto: Miguel Ferraz
Hier geht noch was: Blick auf den Nikolaifleet, der Fischen wenig Freude bereitet. Foto: Miguel Ferraz

Ein bisschen weiter, an der Rathausschleuse, werden die Fische schon gastfreundlicher empfangen: Über neugebaute Fischtreppen können die Aale, Lachse oder Meeresforellen leichter durch die Alsterfleete wandern. In dem Fleet neben der Karl-Lagerfeld-Promenade schwimmen gelbe Bojen, auf denen steht: Wie lebt denn ein Fisch in der Großstadt? Nicht so wirklich gut: Die kahlen Mauern, der Beton überall machen es dem Großstadtfisch nicht leicht. Deshalb schwimmen hier nun die Bojen umher; an ihnen hängen Bündel aus Ästen, die Fischen und anderen Lebewesen ein Versteck bieten sollen.

Seltsam ist es schon, auf diesem Spaziergang gedanklich in alte Abwassersysteme einzutauchen, sich vorzustellen, wie sich dort unten Aale, kleine Babyfische oder Krabben ihre Wege suchen – und dann fährt ein voller Bus vorbei, brettert die U-Bahn über einen hinweg oder hupen sich Autos durch den Feierabendverkehr. Können diese beiden Welten, die Fische, Krabben und Muscheln da unten mit dem lauten Großstadtleben hier oben, überhaupt zusammenpassen?

Eine der größten Wiederbelebungsmaßnahmen in den Alsterfleeten zeigt einem die App gleich zu Beginn des Spaziergangs: die grüne Schute. Auf einem alten Lastkahn, der in einem Alsterfleet ankert, wachsen kleine Bäume und verschiedene Pflanzen. Interessant ist die Unterseite des Kahns: Die ist geöffnet, und im Innern befinden sich Wasserpflanzen, Holz und Steine, die kleinen Fischen und Muscheln als Lebensraum dienen.

Wenn man hier, an diesem außergewöhnlich grünen Kahn aufs Wasser blickt, weit genug vom Lärm der Straßen entfernt, kann man es sich schon ein bisschen besser vorstellen: Wie dort unten all die Zander und Stinte, die Schwarzgrundmuscheln und Krabbenkolonien umherwandern, mit denen sich Hamburg seine Alster teilt.

Artikel aus der Ausgabe:
Autor:in
Anna-Elisa Jakob
Anna-Elisa Jakob
Ist 1997 geboren, hat Politikwissenschaften in München studiert und ist für den Master in Internationaler Kriminologie nach Hamburg gezogen. Schreibt für Hinz&Kunzt seit 2021.

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