In ihrem Koalitionsvertrag bekennen sich Hamburger SPD und Grüne zu einem Lieferkettengesetz. Damit sollen Unternehmen verpflichtet werden, Menschenrechte und Umweltstandards zu beachten – auch im Ausland. Zivilgesellschaftliche Initiativen begrüßen den Vorstoß, haben aber auch Verbesserungsvorschläge.
Wofür Menschenrechtler*innen kämpfen und was Wirtschaftsverbände fürchten, bekommt Unterstützung aus dem Hamburger Rathaus: ein Lieferkettengesetz. Ziel eines solchen Gesetzes ist es, Unternehmen, die im Ausland produzieren, zu verpflichten, dass auch dort Mindeststandards etwa mit Blick auf Menschenrechte oder Umweltfragen eingehalten werden. Die Unternehmen wären dann beispielsweise dafür verantwortlich, dass existenzsichernde Löhne gezahlt und Höchstarbeitszeiten eingehalten würden. Sie wären also für ihre gesamte Lieferkette verantwortlich. Kommen sie der Verpflichtung nicht nach, würden ihnen Sanktionen drohen. Bislang gibt es in Deutschland nur freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen, solche Standards einzuhalten.
Im gerade erst ausgehandelten Hamburger Koalitionsvertrag bekennt sich die rot-grüne Regierungskoalition zu einer verpflichtenden Regelung. Im Vertrag heißt es: „Wir unterstützen die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung und werden daher auf Bundesebene ein entsprechendes Lieferkettengesetz unterstützen.“ Heißt konkret: Wenn der Bundesrat über ein solches Gesetz entscheidet, wird Hamburg dafür stimmen. Wann das sein wird, ist momentan aber unklar. Eigentlich wollten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im März Eckpunkte eines Gesetzentwurfs vorstellen. Offenbar auf Druck aus dem Wirtschaftsministerium wurde der Plan aber erst einmal auf Eis gelegt. Zunächst soll eine Umfrage unter Unternehmen zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten durchgeführt und ausgewertet werden.
Wirtschaftsverbände wie der Bund der deutschen Industrie (BDI) hatten genau das zuvor gefordert und die Initiative der Minister Müller und Heil scharf kritisiert. Ohnehin steht etwa der BDI einem Lieferkettengesetz, vor allem einem nationalen, skeptisch gegenüber. „Es ist fraglich, welche Wirkungen nationale Initiativen in einer globalisierten Wirtschaft haben können“, sagte Stefan Mair, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: „Unsere Wirtschaft ist in ein enges Netz europäischer Partner eingebunden. Genau hier müssen internationale Herausforderungen gelöst werden.“
Initiative: Koalitionsvertrag geht in die richtige Richtung
„Das Lieferkettengesetz liefert praktikable Lösungen, die weltweit Existenzen von Menschen sichern und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.“– Linda Corleis, Hamburger Initiative für ein Lieferkettengesetz
Für die Hamburger Initiative für ein Lieferkettengesetz (HILG) geht die Absichtserklärung aus dem Rathaus in die richtige Richtung. „Die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme gab es schon vor Corona, doch sie sind durch die Pandemie noch stärker hervorgetreten. Sie bedürfen jetzt langfristiger, struktureller Veränderungen in wirtschaftlichen und politischen Prozessen“, sagt Linda Corleis von Brot für die Welt, die Teil der Initiative ist: „Das Lieferkettengesetz liefert dazu praktikable Lösungen, die weltweit Existenzen von Menschen sichern und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.“
Neben dem Bekenntnis zum Lieferkettengesetz wurden im Koalitionsvertrag auch konkrete Maßnahmen für Hamburg festgehalten. So will die rot-grüne Koalition etwa bei einem öffentlichen Unternehmen eine Gemeinwohlbilanzierung einführen, also neben ökonomischen Aspekten auch ökologische und soziale in der Unternehmensbilanz aufführen. Ergänzt werden soll das durch die Einführung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Allerdings lediglich als Pilotprojekt. Erst nach einer positiven Evaluierung soll das Projekt auf alle öffentlichen Unternehmen ausgedehnt werden. Die HILG würde sich hingegen wünschen, dass eine solche Sorgfaltspflicht auch ohne Evaluierung bei allen öffentlichen Unternehmen eingeführt wird, wie Mitglied Daniel Schönfelder betont: „Denn laut dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte sind alle Unternehmen aufgerufen, Prozesse menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht einzuführen.“
Vielfältiger Rückenwind
Unterstützung für die Initiative Lieferkettengesetz kommt derweil auch von der Nordkirche. Mit einem Beschluss unterstützt die Kirchenleitung das Ziel, Menschenrechte und Umweltschutz gesetzlich zu verankern. „Die bisherigen langjährigen Erfahrungen – zum Beispiel in den Bereichen Textil, Steinkohle, Palmöl und Kakao – zeigen, dass freiwillige Unternehmensinitiativen allein nicht ausreichen, um Menschenrechte zu schützen und Umweltzerstörung zu beenden“, heißt es von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Vorsitzende der Kirchenleitung. Ziel des Beschlusses sind Gespräche mit Bundestagsabgeordneten, Unternehmen und Unternehmensverbänden.
Insgesamt 96 zivilgesellschaftliche Organisationen sind Teil der bundesweiten Initiative Lieferkettengesetz. Eine Petition an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Einführung eines entsprechenden Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode haben bislang knapp 190.000 Menschen unterzeichnet.
Rückenwind bekommt die Initiative momentan übrigens auch aus Brüssel. Zuletzt hatte EU-Justizkommissar Didier Reynders gesagt, er wolle 2021 einen Gesetzentwurf für ein EU-weites Lieferkettengesetz vorlegen. Ab Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Entwicklungsminister Müller hat schon angekündigt, sich ebenfalls für ein EU-weites Gesetz starkmachen zu wollen.