Wer in einem Bahnhof der Deutschen Bahn schläft oder bettelt, muss mit einer Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs rechnen. Für Aufsehen sorgt nun ein Fall aus dem Jahr 2019.
Die Deutsche Bahn hat gegenüber Hinz&Kunzt bestätigt, mit Strafanzeigen gegen Obdachlose vorzugehen, die im Hamburger Hauptbahnhof schlafen. Sitzen und Liegen auf dem Boden untersage die Hausordnung der Bahn und wer regelmäßig dagegen verstoße, dem drohten strafrechtliche Konsequenzen, sagte eine Bahnsprecherin. Aus Sicherheitsgründen und „mit Rücksicht auf alle Nutzer:innen des Bahnhofs“ müssten Wartebereiche, Durchgänge, Treppen oder Fluchtwege freigehalten werden. Wie oft solche Strafanzeigen gestellt werden, beantwortete die Bahnsprecherin nicht.
Für Aufsehen gesorgt hatte in dieser Woche ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts St. Georg aus dem Jahr 2019, über das die Süddeutsche Zeitung nun berichtet hat. Weil der 32-jährige obdachlose Hinz&Kunzt-Verkäufer Paul Viktor 84-mal im Hamburger Bahnhof Hausfriedensbruch begangen und dabei teilweise geschlafen und gebettelt hatte, verurteilte ihn das Gericht zu einer Geldstrafe. Insgesamt musste er 540 Euro Strafe (180 Tagessätze à 3 Euro) zahlen, wovon jedoch der Großteil wegen anderer Delikte wie Beleidigung und Bedrohung verhängt wurde. Inzwischen ist Paul Viktor verstorben.
Delikte waren „Ausdruck seiner prekären Lebenssituation“
Im Urteil, das Hinz&Kunzt vorliegt, geht die Richterin auch auf die Lebensgeschichte des Obdachlosen ein. Dass ihm nach einer Kindheit unter „schwierigsten Bedingungen“ der Glaube an eine gute Zukunft fehle, berücksichtigte sie demnach beim Festlegen der Strafe. „Strafmildernd ist weiter zu berücksichtigen, dass insbesondere die Delikte des Hausfriedensbruchs und des Erschleichens von Leistungen Ausdruck seiner prekären Lebenssituation als alkohol- und drogenabhängiger Obdachloser sind“, heißt es in der Urteilsbegründung.