Kolumnistin Nele Gerber outet sich als reuige Mörderin.
Karpfen blau – allein beim Gedanken an dieses Weihnachtsessen wird mir flau im Magen. Ich erinnere mich an ein Weihnachtsfest mit der Familie. Das glitschige tote Tier auf dem Teller, ein Auge starr gen Himmel gerichtet, das große Maul geöffnet. In den Lippen deutlich zu erkennen: das Loch vom Angelhaken. Ich starre auf dieses Loch, und sofort schießen mir Bilder aus den letzten Minuten im Leben dieses stattlichen Fisches durch den Kopf. Wie ich am Teich stehe und plötzlich die Pose meiner Angelschnur unter Wasser gezogen wird. Wie ich die Rute greife und anschlage. Wie ich sofort spüre, dass etwas Großes an meinem Haken hängt. Und wie das Tier anfängt zu kämpfen um sein Leben. 15 lange Minuten drille ich, ziehe den Fisch an der Schnur heran. Er ist so stark, dass sich die Angel gewaltig biegt und er wieder Raum gewinnt, doch unerbittlich ziehe ich ihn heran. Irgendwann sehe ich den Karpfen, er schlägt um sich – und hat doch keine Chance. Mit dem Kescher hebe ich ihn aus dem Wasser. Schnell betäube ich den Brocken mit einem Schlag auf den Kopf, dann steche ich ihm mit dem Messer ins Herz, höre ein Röcheln …
Nun ist es raus. Ich bin eine Mörderin. Es war allerdings der letzte Mord, den ich begangen habe – wenn wir mal von Mücken absehen, die ich beherzt erschlage, sobald sie mir nachts um die Ohren summen.
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