Zum Jahreswechsel ist es eine Tradition: Der amtierende Bundespräsident wendet sich mit einem Grußwort an die Leser von Straßenmagazinen in ganz Deutschland. Wir dokumentieren den Brief von Frank-Walter Steinmeier hier.
Obdachlose fühlten sich, als seien sie unsichtbar, heißt es bisweilen, so als lebten sie vor den Blicken anderer verborgen. Ist das so?
Sehen wir nicht täglich Menschen, die auf der Straße leben, in Parks, unter Brücken? Menschen, die vorübergehend Schutz suchen in U-Bahnhöfen, in Eingängen von Supermärkten oder Bankfilialen, wo es warm oder doch wenigstens wärmer ist in dieser Jahreszeit?
Es sind viele und sie verbergen sich nicht vor unseren Blicken. Tatsächlich gibt es in unserem Land immer mehr Menschen ohne Wohnung. Tausende von ihnen leben auf der Straße.
Obdachlose sind nicht unsichtbar. Mir scheint, unser Blick ist verstellt von Vorurteilen oder dem Wunsch, es möge keine sichtbare Armut geben, damit wir ruhigen Gewissens unserer Wege gehen können.
Die Mauer der Unsichtbarkeit durchbrechen
Doch es gibt in Deutschland zu viele, die ohne den Schutz einer Wohnung leben, weil Wohnraum knapp ist, Familien in prekären Verhältnissen leben oder zerfallen. Auch weil Lebenswege nicht immer gerade verlaufen. Wir sollten Menschen, die davon betroffen sind, unsere Aufmerksamkeit nicht entziehen.
Mir scheint, unser Blick ist verstellt von Vorurteilen– Frank-Walter Steineier
Wer eine Obdachlosenzeitung kauft, durchbricht die Mauer der Unsichtbarkeit. Er wendet sich nicht nur einem Problem zu, sondern seinem Gegenüber. Es ist ein Schritt auf den anderen zu, der etwas verändern kann.
Um die Situation der Wohnungslosen zu verbessern, werden noch viele folgen müssen.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern und allen Verkäuferinnen und Verkäufern ein gutes und gesundes Jahr 2018.