Druckereien kämpfen um Kunden – Mitarbeiter zahlen die Zeche
(aus Hinz&Kunzt 135/Mai 2004)
Peter Gawlik kann es auch Wochen später noch nicht fassen. „18 Jahre lang hab ich dort gearbeitet – und nun ist alles vorbei“, sagt der 44-Jährige. Er zeigt auf das verwaiste Gebäude am Rande von Schwarzenbek, wo bis vor kurzem auch Hinz & Kunzt gedruckt wurde.
Wie die meisten der 50 ehemaligen Angestellten der Elbe Rotationsdruck GmbH (vorher Buchdruckerei Bude) steht der Druckhelfer seit Anfang April auf der Straße – und ahnt, dass harte Zeiten auf ihn zukommen: „Ich hab ja nicht mal eine Ausbildung im Druckgewerbe. Und den Job kann jeder machen.“
Noch im Dezember hofften Gawlik und seine Kollegen auf bessere Zeiten. Der Ratzeburger Kaufmann Klaus Flaschka hatte die Druckerei aufgekauft, nachdem Bude nach langem Überlebenskampf Insolvenz angemeldet hatte. Gleichzeitig erwarb Flaschka das Filetstück der Schwarzenbeker Firmen-Gruppe, den gewinnträchtigen „Markt“-Anzeigenblatt – Verlag, sowie weitere Bude-Betriebe. Für die Drucker bedeutete der Besitzer-Wechsel zunächst einen Hoffnungsschimmer, hatten sie doch seit Frühjahr 2002 ihre Löhne immer wieder verspätet oder in Raten bekommen. „Mit dem Laden ging es schon seit 1994 bergab“, erinnert sich Ex-Betriebsrat Ralf Steinfatt.
Als im vergangenen Herbst die Geschäftsführung der Hamburger Morgenpost beschloss, die Tageszeitung nicht wieder in Schwarzenbek drucken zu lassen, schien der Bankrott unvermeidlich. Bude meldete Zahlungsunfähigkeit an, der Konkursverwalter machte Kassensturz – und verkaufte die insolventen Teile der Firmen-Gruppe zwei Tage vor Weihnachten an Klaus Flaschka.
Nur acht Wochen später meldete die von Flaschka gegründete Firma Insolvenz an. Wie es dazu kommen konnte, ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck. Die Gewerkschaft ver.di hat Strafanzeige erstattet wegen des Verdachts auf betrügerischen Bankrott. Der Vorwurf: Flaschka habe der Elbe Rotationsdruck die Druckaufträge entzogen und die Firma damit vorsätzlich in die Pleite getrieben. Offenbar wanderten mehr und mehr Aufträge aus Flaschkas verzweigtem Verlags-Geflecht von Schwarzenbek zu der in Ostdeutschland gelegenen Druckerei Wittenburg, an der der Unternehmer Anteile erworben haben soll – und bei der die Löhne deutlich niedriger ausfallen. Flaschka bestreitet das nicht: „Wenn Aufträge nicht zu konkurrenzfähigen Preisen zu erledigen waren, sind die natürlich weggegangen. Das betraf aber nicht nur Blätter, bei denen ich Geschäftsführer war.“
In der Branche tobt europaweit ein erbitterter Überlebenskampf. „Das Problem sind die Überkapazitäten, vor allem im Rollen-Offsetdruck. Es gibt zu viele Maschinen und zu wenig zu drucken“, sagt Rolf Schumacher von ver.di. Zusätzlich verstärke die Globalisierung den Preiskampf unter den Druckereien. Jeder Auftrag könne heutzutage übers Internet ausgeschrieben werden. „Da werden zum Teil Angebote gemacht, die nicht mal die Papierkosten decken“, weiß der Gewerkschafter. Außerdem: „In Billiglohnländern wie Polen oder Tschechien liegen die Stundenlöhne für Facharbeiter bei 3 bis 6 Euro, bei uns sind es fast 25 Euro.“
Zusätzlich verschärft hat sich die Situation, seit Tageszeitungen und Wochenblätter in Deutschland im Jahr 2000 rund 25 Prozent ihrer Anzeigenaufträge verloren hätten, ergänzt Peter Hets, technischer Leiter bei der A. Beig Druckerei und Verlag, die unter anderem fünf Tageszeitungen (u.a. „Pinneberger Tageblatt“), fünf Wochenblätter und ein Monatsblatt herausgibt – und jetzt auch Hinz & Kunzt druckt. Um Kosten zu sparen und „marktfähig“ zu bleiben, so Hets, würden viele Häuser Millionenbeträge in neue Technik investieren.
Auch bei Beig wird im November eine neue Vierfarb-Druckmaschine in Betrieb gehen. Die soll nicht nur schneller und hochwertiger drucken, sondern auch weniger Ausschuss produzieren: „Papier ist ein teurer Rohstoff.“ Arbeitsplätze sieht der technische Leiter nicht in Gefahr: „Für die Mitarbeiter bedeutet die neue Maschine eine mittel- bis langfristige Perspektive zur Sicherung der Arbeitsplätze.“ Wer nicht investiere, so der gelernte Drucker, habe schlechte Karten. „Herr Flaschka hat die Situation wohl falsch eingeschätzt.“
Der Ratzeburger Kaufmann sieht das anders. Er habe die relativ neue Druckmaschine in Schwarzenbek, die Bude geleast hatte, kaufen wollen, um die Zukunft des Betriebs zu sichern. Doch habe die negative Berichterstattung „eine äußerst schwierige Verhandlungssituation“ bewirkt. Letztlich sei das Geschäft daran gescheitert, dass die Firma MAN „nicht annähernd bereit war, die Druckmaschine zu einem marktfähigen Preis zu verkaufen“. Über die Anzeige der Gewerkschaft kann der umstrittene Unternehmer nur lächeln: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, meint Flaschka und macht Betriebsrat und ver.di für die Pleite der Elbe Rotationsdruck verantwortlich. Während in anderen Druckereien ein Drucker und zwei Helfer an der Maschine stehen würden, hätten Betriebsrat und Gewerkschaft „drei Drucker und drei Helfer verlangt“. Eine Verlängerung der Wochen-Arbeitszeit sei ebenso abgelehnt worden wie Kurzarbeit.
Die auf die Straße gesetzten Beschäftigten können über solche Aussagen nur staunen: „Wir haben Herrn Flaschka Kurzarbeit angeboten – auf Basis der bestehenden betrieblichen Vereinbarungen. Damit wären Einsparungen von bis zu 50 Prozent möglich gewesen“, so Ex-Betriebsrat Steinfatt. Doch der Unternehmer habe abgelehnt. Er habe, so der Vorwurf der arbeitslosen Drucker, „Kurzarbeit nach Gutsherrenart“ durchsetzen wollen, nach dem Motto: „Du kommst die nächsten zwei Wochen, du nicht!“
Unternehmer Klaus Flaschka zeigt sich inzwischen entspannt: „Das Thema ist für uns erledigt und abgeschlossen.“ Nicht so für seine ehemaligen Mitarbeiter: „Wir haben die Mega-Arschkarte gezogen“, schimpft Insolvenz-Opfer Peter Gawlik. Bis Mitte April hat er keine Arbeitslosenunterstützung beantragen können, weil ihm die Elbe Rotationsdruck weder Kündigung noch Arbeitsbescheinigung ausgestellt hat. Auch der März-Lohn stehe noch aus. „Zum Glück konnte ich mir privat Geld leihen.“ Die Zukunft der Kollegen ist ungewiss. Ex-Betriebsrat Steinfatt sagt: „Wir werden alle in ein tiefes Loch fallen.“