Er malte erst expressionistisch, dann wandte er sich der Neuen Sachlichkeit zu; er zeichnete Familienporträts wie auch politisch motivierte Bilder: Conrad Felixmüller setzte mit seinem Werk ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Rund 80 Gemälde des Künstlers aus der Zeit von 1914 bis 1933 sind nun im Ernst Barlach Haus zu sehen.
(aus Hinz&Kunzt 248/Oktober 2013)
Was für ein Akt! Und die barbusige Schönheit auf dem Bild ist nicht irgendeine. Sie ist seine: seine eigene Frau. Immer wieder porträtierte der Künstler Conrad Felixmüller (1897–1977) seine geliebte Londa, immer wieder stand sie ihrem Mann Modell – bekleidet oder auch nicht. „Bin jetzt wirklich anders“, notierte Conrad Felixmüller die Wirkung seiner ersten Begegnung mit Londa 1917, „quäle mich auch nicht mehr. Freue mich aller guten und bösen Dinge“. Noch enthusiastischer schrieb er nach der Geburt seines ersten Sohnes Luca (1918–2006): „Mitten im Grauen des Krieges unfassbares, stummes Glück – die Malereien werden farbiger, die Beziehungen vielseitiger – Jubel bricht durch – aus Liebe wurde Ehe – mit der Geburt des Kindes Mutterglück, Familie!“
Ja, die Familie: „Für Conrad Felixmüller war sie ein Zufluchtsort, eine schützende Gegenwelt in politisch unruhigen Zeiten“, erklärt Karsten Müller, Leiter des Ernst Barlach Hauses. „Seine Familiendarstellungen und Porträts sind deshalb auch ein Schwerpunkt unserer Ausstellung.“
„Glückseligkeit und Kampfesmut“ – unter diesem Titel zeigt das Ernst Barlach Haus ab dem 13. Oktober rund 80 Werke des schon als junger Mann erfolgreichen Künstlers aus den Jahren 1914 bis 1933. „Zwar war er auch in der folgenden Zeit künstlerisch tätig“, sagt Karsten Müller, „aber in den früheren Jahren war er am stärksten. Da hat er mit seinem Können Maßstäbe für die Kunst gesetzt.“
Conrad Felixmüller selbst inspirierte zum Namen der Ausstellung in Hamburg, weil er die Phase der Weimarer Republik einmal als „eine Zeit zwischen Glückseligkeit und Kampfesmut“ bezeichnete. Neben den „glückseligen“ Familienbildnissen und Porträts von Weggefährten bilden darum seine „kämpferischen“ Arbeiterdarstellungen und politisch motivierte Grafiken die weiteren Schwerpunkte der Werkschau. „Uns war es wichtig, sein großes Talent und seine künstlerische Entwicklung in all seinen Facetten zu zeigen“, erklärt Karsten Müller.
„Wunderkind und wahrer Chronist“
Immerhin sei Conrad Felixmüller eine Art „Wunderkind“ der Kunst gewesen, bereits mit 15 begann er sein Studium an der Königlichen Kunstakademie in seiner Geburtsstadt Dresden. In den 1910er- und 20er-Jahren gehörte er zu den bekanntesten Nachwuchskünstlern in Deutschland. Anfangs waren seine Gemälde, Zeichnungen, Radierungen und Druckgrafiken stark vom Expressionismus und Kubismus geprägt, später wandte er sich der Neuen Sachlichkeit zu. „Er hat sich quasi durch alle Stile der damaligen Gegenwart gepflügt“, erzählt Karsten Müller. Dabei machte er Bekanntschaft mit zahlreichen anderen Künstlern, unter anderem mit Otto Dix: „Dem hat er dann erst mal gezeigt, wie das mit den Radierungen so funktioniert“, sagt Karsten Müller und lacht.
Ein wahrer „Chronist der Weimarer Republik“ sei Conrad Felixmüller gewesen, immer wieder habe er Kollegen, Schriftsteller und Intellektuelle aus seinem Umfeld porträtiert. Viele Freunde und Bekannte darunter waren linkssozial eingestellt, hofften genau wie er nach Kriegsende auf den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft. In den Anfangsjahren der Weimarer Republik engagierte er sich deshalb mit seiner Kunst auch politisch: Regelmäßig lieferte er Bildbeiträge für linkssoziale Zeitschriften wie „Die Aktion“, mit dessen Herausgeber Franz Pfemfert er privat befreundet war. Von 1919 bis 1924 war er zudem Mitglied der KPD. „Im Laufe der Zeit hat er aber gemerkt, dass das doch nicht so seine Richtung war“, meint Karsten Müller, „ab Mitte der 1920er-Jahre konzentrierte er sich deshalb mehr auf private Porträts.“
„Immer mit Respekt und mit liebevollem Blick.“
Wie wichtig ihm, dessen Vater als Fabrikschmied und dessen Bruder als Bergbauingenieur arbeitete, aber jederzeit die „kleinen Leute“ waren, zeigte sich unter anderem 1920, als er mit dem Sächsischen Staatspreis für Malerei ausgezeichnet wurde. „Eigentlich war dieses Stipendium für einen Aufenthalt in Italien gedacht“, erzählt Karsten Müller, „aber Conrad Felixmüller sagte ‚Ich will lieber ins Ruhrgebiet.‘“ Dort studierte er sorgfältig das Leben der Bergarbeiter in den Kohlerevieren und porträtierte es anschließend, „mit großer Hingabe“. Armut und Härte zeigte er ebenso wie proletarisches Selbstbewusstsein: „Immer mit Respekt und mit liebevollem Blick.“
Mit sich selbst ging er hingegen gnadenlos um: „Einige seiner frühen expressionistischen Werke hat er vernichtet, weil sie ihm in seiner Phase der Neuen Sachlichkeit nicht mehr gefielen“, bedauert Karsten Müller. „Unheimlich, besonders wenn man bedenkt, dass die Nazis Jahre später dasselbe machten.“ Sie diffamierten seine expressionistische Kunst als „entartet“ und zerstörten insgesamt 151 Werke. „Sein Kampfesmut war danach natürlich erloschen“, sagt Karsten Müller, „was blieb, war die heile Welt der Familie.“ Letzte Insel der Glückseligkeit.
Text: Maren Albertsen
Die Ausstellung „Conrad Felixmüller – Glückseligkeit und Kampfesmut“ läuft vom 13.10.2013 bis zum 2.2.2014 im Ernst Barlach Haus, Baron-Voght-Straße 50a, Dienstag bis Sonntag (an Feiertagen auch Montag), 11–18 Uhr. Eintritt: 6/4 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei. Öffentliche Führungen jeden Sonntag um 11 Uhr, Kuratorenführungen mit Dr. Karsten Müller am 22.10. und 14.1., jeweils 18 Uhr. Weitere Infos unter Telefon 82 60 85 und www.barlach-haus.de