Neckels Klima-Fragen

Gibt es grünes Internet?

Wahre Liebe ist viel besser, als Pornos im Internet zu gucken. Letzteres erzeugt obendrein viel mehr CO.Foto: picture alliance/ROPI/Mirco Toniolo
Wahre Liebe ist viel besser, als Pornos im Internet zu gucken. Letzteres erzeugt obendrein viel mehr CO.Foto: picture alliance/ROPI/Mirco Toniolo
Wahre Liebe ist viel besser, als Pornos im Internet zu gucken. Letzteres erzeugt obendrein viel mehr CO.Foto: picture alliance/ROPI/Mirco Toniolo

Soziologe Sighard Neckel schreibt in seiner Kolumne darüber, wie das Internet dem Klima nützt – und schadet.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Die Klimabewegung wird maßgeblich von der jungen Generation getragen. Zugleich sind dies die Jahrgänge, die am meisten im Internet unterwegs sind. Dies hat den jungen Aktivistinnen den Vorwurf eingetragen, den Splitter im Auge der anderen zu sehen, den Balken im eigenen aber nicht zu bemerken. Flugreisen und Kreuzfahrten würden gedisst, während man selbst unzählige Stunden im World Wide Web verbringt – das mit aktuell vier Prozent aller Treibhausgase klimaschädlicher als der weltweite Flugverkehr ist. Wäre das Internet ein Land, stünde es im Energieverbrauch gleich hinter China und den USA. 33 Millionen Tonnen CO2-Emissionen gehen auf das Internet und seine Endgeräte zurück. Bis 2040 könnte die IT-Kommunikation für 14 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sein. Die größten Klimakiller sind Google, Social Media, YouTube und das Streaming – fast ein Drittel davon Pornografie. All dies lässt die Rechenzentren und Serverfarmen glühen, die endlos Strom für ihren Betrieb und noch mehr für ihre Kühlung brauchen. Sofern dieser Strom nicht von den Erneuerbaren kommt, macht jedes Selfie auf Instagram den Planeten ein bisschen wärmer.

War es das also mit dem Internet, wenn wir das Klima retten wollen?

Ein Verzicht auf das Internet ist genauso unrealistisch wie der Wunsch, jeglichen Individualverkehr auf der Welt abzuschaffen. Nicht zu vergessen, dass das World Wide Web eine Errungenschaft ist, die kaum jemand missen möchte. Zudem spart das Internet auch Emissionen ein. Ein Brief erzeugt 280 Gramm CO2, eine E-Mail kommt hingegen mit nur 10 Gramm aus.

Das Internet gehört zu unserer modernen Infrastruktur, bei der es insgesamt darauf ankommt, sie klimaschonend zu organisieren. Möglichst viel Ökostrom braucht es dafür, auch kann man die Abwärme der Rechenzentren für Fernheizungen nutzen. Manche Serverfarmen werden bereits in tiefes Meerwasser verbracht, um sich die Kühlung durch Strom zu ersparen. Das wäre auch für Hamburg mit seinen zahlreichen Datenzentren eine Option. Aber auch das Internet selbst benötigt Veränderung. Würde man es als ein öffentliches Gut organisieren und es nicht vollends den Tech-Giganten überlassen, entfielen etliche Spams und Werbebanner, die den Strombedarf anheizen und sowieso eine Plage im Internet sind. Aber auch die User selbst könnten etwas tun. Filme kann man viel schöner im Kino ansehen, und Pornos im Internet sollte man lassen. Das ist besser für den wirklichen Sex und dient obendrein der Nachhaltigkeit – was will man mehr?

Artikel aus der Ausgabe:
Ausgabe 381

Von der Straße auf die Bühne

Xenia Brandt war obdachlos – heute ist sie Comedian und verarbeitet so ihre Erfahrungen. Außerdem im Schwerpunkt über obdachlose Frauen: Wie Periodenarmut zu psychischen Problemen führt. Und: Hinz&Künztlerin Annie erzählt über Gewalt und Erniedrigung auf der Straße.

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Autor:in
Sighard Neckel
Sighard Neckel ist Soziologe und Professor für Gesellschaftsanalyse und sozialen Wandel an der Uni Hamburg, an der er seit 2019 auch Mitglied der Forschungsgruppe „Zukünfte der Nach­haltigkeit“ ist.

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