Das Hamburger Sozialgericht kritisiert, dass eine geflüchtete Mutter von ihrer Sozialkarte nur 60 Euro Bargeld abheben darf. Wieso der Senat trotzdem nichts am Prinzip ändern will.
Darf Hamburg Geflüchteten verbieten, mehr als 50 Euro Bargeld (plus 10 Euro für Kinder) im Monat von ihrer Bezahlkarte abzuheben? Jedenfalls müssen die Behörden das im Einzelfall genau abwägen, hat das Sozialgericht für eine Schwangere und ihr dreijähriges Kind entschieden. Sie haben mit „Pro Asyl“ und der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ gegen die in Hamburg „SocialCard“ genannte Bezahlkarte geklagt und nun im Eilverfahren teilweise recht bekommen.
Dass Geflüchtete in Hamburger Erstaufnahmezentren von ihrer Bezahlkarte monatlich nur 50 Euro Bargeld abheben dürfen, erschwere ihren Alltag massiv, erklärt die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith. Günstige Onlineeinkäufe oder private Gebrauchtwarenkäufe seien mit der Bezahlkarte ebenso wenig möglich wie der Abschluss eines Handyvertrages oder die Anmeldung im Sportverein: „Dass diese Unterversorgung verfassungswidrig ist, zeigt die Eilentscheidung.“
Senat hält Bezahlkarte weiter für rechtens
Ganz so deutlich wird das Gericht in seinem Beschluss nicht: Eine Bezahlkarte sei nicht grundsätzlich unwürdig oder diskriminierend, heißt es dort. Wohl aber müssten bei der Festlegung des Bargeldbetrags Besonderheiten wie Alter, Krankheit oder Behinderung berücksichtig werden, weshalb eine Einzelfallentscheidung notwendig sei. Im Fall der Klägerin müssen die Behörden nun die Mehrbedarfe von Schwangeren und Kleinkindern auf die üblichen 60 Euro Bargeld draufschlagen.
Der Hamburger Senat hatte vor Gericht argumentiert, es würde einen „enormen Verwaltungsaufwand“ bedeuten, wenn die Behörden den Barbetrag individuell festlegen müssten. Innen- und Sozialbehörde zeigten sich von der Gerichtsentscheidung dennoch wenig beeindruckt: Sie stelle das Prinzip der Bezahlkarte nicht in Frage. Auch würde das Gericht eine feste Bargeldobergrenze nicht per se für rechtswidrig halten, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Behörden: „Am bisherigen Modell in Hamburg ändert sich mit der Entscheidung daher nach jetzigem Kenntnisstand grundsätzlich nichts.“
Transparenzhinweis: Hinz&Kunzt hat gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte die Kampagne „Abseits abschaffen“ gegen die Vertreibung von Obdachlosen am Hamburger Hauptbahnhof organisiert.