Für den lernbehinderten Oliver Gerhard ging ein Wunsch in Erfüllung: Am Theater Klabauter verdient er als Schauspieler sein Geld. Was wirklicher Inklusion am Arbeitsmarkt im Weg steht, wird im Rahmen der Veranstaltungsreihe Gerechte Stadt diskutiert.
Der Vorhang öffnet sich, Oliver Gerhard tritt ins Scheinwerferlicht. Er spielt einen mittellosen Familienvater. Selbstbewusst und mit lauter Stimme bietet er seine Kinder zum Verkauf an. Es ist die erste Szene des Theaterstücks „Projekt: Geld“. Am Ende wird Oliver Gerhard unter großem Applaus die Bühne verlassen. Ein Auftritt vor Publikum, eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Schauspieler. Doch der 32-Jährige hat eine Lernbehinderung. Zusammen mit elf weiteren Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung arbeitet er am Theater Klabauter im Zentrum Borgfelde.
Die Theatergruppe ist Teil der individuellen Arbeitsbegleitung (IAB) der Behindertenhilfe des Rauhen Hauses. Die beschäftigt Menschen mit Behinderungen, denen der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt in der Regel verwehrt ist und die nicht in einer Behindertenwerkstatt arbeiten wollen. Die Stellen werden über staatliche Eingliederungshilfe finanziert. So gelang die Etablierung eines professionellen Theaterbetriebs, den Astrid Eggers seit 1998 leitet.
1993 hat Astrid Eggers erstmals behinderte und nichtbehinderte Menschen gemeinsam auf die Bühne gebracht. Solche Projekte stellen allerdings bis heute eine Ausnahme dar. Der eta-blierte Theaterbetrieb ist für Menschen mit Behinderungen durch kurzfristige Arbeitsverträge und den Zwang zur Selbstvermarktung zu hürdenreich. Das Theater Klabauter wiederum ist für gemeinsame Produktionen auf Spenden angewiesen. Zum Glück gelingt das trotzdem immer mal wieder: Die Finanzierung für „Frankensteins Erben“ – ein Stück für Menschen mit und ohne Behinderungen – ist gesichert. Im Herbst ist Premiere.
„Auf unserer Bühne können sich Menschen mit Behinderung präsentieren“, freut sich Astrid Eggers. Das war lange Zeit unvorstellbar: Behinderte wurden unsichtbar gemacht. Sie arbeiteten separiert in Werkstätten. Erst in den vergangenen Jahren kam eine Diskussion um Inklusion auf. Inklusion bedeutet, das Vorhandensein von Unterschieden nicht nur anzuerkennen, sondern Vielfalt wertzuschätzen und Teilhabe zu ermöglichen.
Chancen der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsmarkt werden bei der Podiumsdiskussion „Inklusion über den Arbeitsmarkt“ in der Reihe „Hamburg! Gerechte Stadt“ am 19. März ausgelotet. Helfen die aufgelegten Programme und Angebote, Inklusion auch in der Arbeitswelt zu verwirklichen? „Ich habe eine Ausbildung zum Bäcker begonnen. Aber ich war der Belastung nicht gewachsen“, berichtet Oliver Gerhard. „Hier beim Theater habe ich zwar Lampenfieber vor jedem Auftritt. Aber ich gehe gerne auf die Bühne und spiele für das Publikum. Das ist etwas, was ich wirklich kann.“
Text: Jonas Füllner
Fotos: Evgeny Makarov
Podiumsdiskussion „Inklusion über den Arbeitsmarkt – wer oder was behindert wen?“ im Rahmen der Reihe „Hamburg! Gerechte Stadt“, mit Thomas Bösenberg (Inklusionsbüro Hamburg), Carsten Pählke (Carsten Pählke Personalmanagement), Kai Gosslar (Geschäftsführer hamburg work), Jürgen Hohmann und Lars Bruhn (beide ZEDIS Uni Hamburg). Burkhard Plemper moderiert die von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg geförderte Veranstaltung, Evangelische Stiftung Alsterdorf, Alsterdorfer Markt 18, Di, 19.3., 17.30 Uhr, Eintritt frei