In 57 Saga-Wohnungen sollte fördern und wohnen Wohnungslose fit fürs eigenständige Leben machen. Das hat auch gut geklappt. Trotzdem nutzen Betreiber und Vermieterin das Auslaufen von Verträgen, die Hilfe einzustellen. Hat das vor allem wirtschaftliche Gründe?
Wohnungslose Familien und Alleinstehende haben es in Hamburg so schwer wie nie, eine Wohnung zu finden – und zu halten. Der städtische Betreiber fördern und wohnen (f&w) ist verantwortlich dafür, diese am Wohnungsmarkt benachteiligten Menschen zu unterstützen. Doch ein entsprechendes Projekt gibt fördern und wohnen (f&w) jetzt auf – und damit 57 Wohnungen für diese Menschen. Begründung: Das Konzept sei nicht mehr zeitgemäß. Es sei nicht gelungen, die Bewohner fit fürs eigenständige Leben zu machen. Wir haben bei f&w und Saga GWG, Besitzerin der Projektwohnungen, nachgehakt. Die Antworten legen nahe: Wirtschaftliche Interessen führten zum Ende des Projekts.
27 von 57 Parteien bekamen von f&w und Saga GWG eine „positive Bewertung“
Dabei ist das Projekt nicht so erfolglos, wie f&w-Geschäftsführer Rembert Vaerst es darstellt. Das hat der Unterkunftsbetreiber selbst erwiesen. Denn fördern und wohnen und Saga GWG haben „gemeinsam“ (Vaerst) die Bewohner auf ihre Wohntauglichkeit überprüft. Gemeinsam habe man geschaut: Wer von den 57 Parteien im „befristeten Mietwohnen“ kann als gut integriert und damit wohnfähig gelten? Basis für die Bewertung sei das Urteil der Sozialarbeiter und der Projektleitung, die die Bewohner betreuen, gewesen: Hat einer oder eine Familie auch ohne aufsuchende Sozialarbeit die Chance, in einer eigenen Wohnung zu leben? Können sie eigenständig einen Haushalt führen? Gibt es Mietrückstände? Wie ist der Zustand der Wohnung? Wer aufgrund dieser Kriterien eine „positive Bewertung“ erhielt, darf Saga-Mieter bleiben, in seiner bisherigen Wohnung oder einer anderen. 27 der 57 Parteien hätten so eine positive Bewertung erhalten – also immerhin gut die Hälfte.
Viola Schümann hat keine positive Bewertung bekommen. „Die Saga nimmt mich nicht wegen meiner Privatinsolvenz“, sagt sie. „Mietschulden hatte ich nie, aber ich bin halt finanziell nicht einwandfrei.“ Seit mehr als drei Jahren wohnt Viola Schümann in einem der Projekthäuser in Rönneburg. „Ich fühle mich hier total wohl. Die Stimmung im Haus ist gut, ich kenne mittlerweile viele Menschen im Stadtteil und habe meine Anlaufstellen“, sagt sie. Es war ein Schock, als fördern und wohnen ihr mitteilte, dass ihr befristeter Mietvertrag nicht verlängert wird. „Es gibt nichts Schlimmeres für mich als wieder in einer Notunterkunft zu landen“, sagt die ehemals Obdachlose.
Zehn Jahre lang gab es das „befristete Mietwohnen“. Dafür hatte fördern und wohnen Mietverträge mit dem städtischen Wohnungsunternehmen Saga GWG für die 57 Wohnungen. Sie endeten regulär mit dem Jahr 2012. Weder fördern und wohnen noch Saga GWG haben Interesse daran, das Projekt fortzuführen.
Das hat offenbar auch wirtschaftliche Gründe. Das räumt zum einen f&w-Geschäftsführer Vaerst selbst ein. Das „befristete Mietwohnen“ mit umfassender Betreuung durch Hauswarte und Sozialarbeiter sei „wirtschaftlich nicht umsetzbar“. Dass auch Saga GWG an‘s Geld denkt, legt eine Besonderheit bei einer der Wohnanlagen nahe: Zwei Häuser in Rönneburg, wo auch Viola Schümann noch wohnt, sollen schneller als die anderen von fördern und wohnen an Saga GWG übergeben werden. Und: Hier darf kein Mieter, unabhängig von der Bewertung durch die Saga, bleiben. Der Grund? „Das ist eine gute Wohnlage, die Miete wird sich hier extrem entwickeln, das können die Leute sich langfristig nicht leisten“, formuliert es Vaerst. Anders gesagt: Hier sieht Saga GWG Potenzial, Mieten zu kassieren, die über dem liegen, was Hilfeempfängern an Wohnkosten zugestanden wird. Saga GWG wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern.
f&w verspricht: „Niemand muss aus seiner Wohnung in eine Notunterkunft ziehen“
Immerhin: Fördern-und-wohnen-Geschäftsführer Rembert Vaerst verspricht, für jeden der Bewohner des „befristeten Mietwohnens“ eine neue Bleibe zu finden, insbesondere für diejenigen, die Saga GWG als Mieter nicht haben will. „Niemand muss aus seiner Wohnung in eine Notunterkunft ziehen“, verspricht er. Wohnungen aus dem f&w-Bestand würden bevorzugt an die ehemaligen Projektbewohner vergeben. Viola Schümann soll im März umziehen: ein Zimmer, Wohnküche, 42 Quadratmeter im Dachgeschoß einer fördern-und-wohnen-Anlage in Stellingen. Dafür ist sie dankbar: „Ich suche seit zehn Monaten intensiv nach einer Wohnung in Hamburg, ich habe alleine keine Chance.“ Sie fragt sich allerdings: Was ist mit der Person, die in ihre neue Wohnung hätte ziehen können, wenn sie selbst ihren Platz in Rönneburg behalten hätte können? „Da fehlen doch jetzt Wohnungen für Leute wie mich.“
Text: Beatrice Blank
Foto: Mauricio Bustamante