Bewohner von St. Pauli zeigen mit einem mobilen Theaterstück, was ihrem Stadtteil blühen könnte, wenn es so weitergeht mit hohen Mieten und teuren Cafés. Eine Etappe von „FunParkFiktion“ ist die Kersten-Miles-Brücke. Am 28. April ist Premiere.
Nein, Schauspieler will Fayssal später nicht werden. Sondern Feuerwehrmann. Trotzdem macht dem Elfjährigen das Schauspielern gerade ziemlich viel Spaß. „Wir rappen vor dem Bismarckdenkmal, das finde ich ziemlich lustig“, sagt er. Fayssal ist einer von 30 Laiendarstellern im Alter von acht bis 77 Jahren, die im Theaterstück „FunParkFiktion“ zeigen, was aus ihrem Viertel St. Pauli werden kann, wenn es mit dieser „Gentrifidingsbums“ (Spruch auf legendärem Demoplakat) so weitergeht wie bisher. „Wir überspitzen und gucken ironisch auf den Wandel“, sagt Regisseurin Alina Gregor.
Ganz St. Pauli ist im Stück ein grell-bunter Vergnügungspark. Geöffnet 24 Stunden lang. Alles wird vermarktet. Sogar die Kinder. Als „echte Kinder“ kann man sie hinter Plexiglas im Menschenzoo bestaunen. Die elfjährige Ada hat Glück gehabt. Sie läuft noch frei herum. Und tanzt mit ihrer Freundin lässig zu französischem Hip-Hop, als ein gewisses Fräulein Sturzbach sie mit einer Geschichte einwickeln will wie einst der Rattenfänger die Kinder von Hameln. „Die schreiben aber ihre eigenen Geschichten. Geschichten die noch nicht gekauft sind. Die bewahren sie in einem rollenden Museumswagen“, erklärt die Regisseurin die Szene, die im Innenhof des Gesundheitszentrums abspielt.
Alle Szenen finden draußen statt. Da, wo auch der Wandel am auffälligsten ist: Es geht von der blitzblanken Architektur am Atlantic-Haus durch das historische Gesundheitszentrum über die Kersten-Miles-Brücke in den Alten Elbpark und endet am Bismarck-Denkmal. Mobiles Theater ist das Konzept vom Theater am Strom. Dessen Mitbegründerin Christiane Richel schrieb die Vorlage für die Theaterproduktion der GWA St. Pauli unter Leitung von Christine Filipschak.
Die Arbeit mit den vielen Laien fordert die Produktionsleiterin immer wieder heraus: „Sie können sich nicht so lange konzentrieren wie die Profis“, sagt Filipschak, „gerade die Kinder sind schnell abgelenkt.“ Regisseurin Gregor weiß, wie anstrengend das Proben sein kann. „Das Stück geht fast über zwei Stunden und alle spielen in jeder Szene mit. Das ist schon eine tolle Leistung.“
Die zeigt auch die mit 77 Jahren älteste Teilnehmerin Frauke Siebke. Sie spielt das plappernde Fräulein Sturzbach. Und schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe: „Ich tue was für meinen Stadtteil und das Spielen mit den Kindern hält mich fit“, sagt sie.
Apropos Spielen: Fayssal hat sich mittlerweile den dicken Ghettoblaster über die Schultern gehängt und albert mit seinem Kumpel David herum. Ganz wie es echte Kinder auf St. Pauli tun.
Text: Simone Deckner
Foto: Mauricio Bustamante
FunParkFiktion, Premiere am 28. April um 18 Uhr, Treffpunkt am Zirkusweg 11, Karten unter 319 36 23 oder im Netz unter www.gwa-stpauli.de, Eintritt: 16 Euro , Kinder 8 Euro.
Weitere Vorstellungen: 4. und 5. Mai, 1. und 2. Juni, 25. und 31. August, 1., 7. und 8. September 2012, jeweils 18 Uhr