Vier Wochen vor Beginn des Winternotprogramms fordern Sozialarbeiter*innen am Dienstag in Wilhelmsburg mehr Hilfsangebote für Obdachlose ein.
Rund ein Dutzend Aktivist*innen in orangenen Warnwesten versammeln sich am Dienstagmorgen im Nieselregen auf dem Wilhelmsburger Stübenplatz. Aus Umzugskartons bauen sie dort ein symbolisches Haus auf. „Eine Brücke ist kein Zuhause” oder „Straße ist kein Schlafplatz” ist darauf zu lesen: Forderungen und Wünsche von Obdachlosen. Gemeinsam hatten Sozialarbeiter*innen und Obdachlose in den vergangenen Monaten in verschiedenen Einrichtungen diese Kartons gestaltet.
„Für die Wohnungslosen als Schwächste auf dem Wohnungsmarkt wird viel zu wenig getan“, kritisiert Frauke Meyn von der Beratungsstelle Barmbek. Jahr für Jahr würden etwa 1000 Sozialwohnungen für Menschen mit Dringlichkeitsschein aus der Preisbindung fallen. Dem gegenüber stünde lediglich der Neubau von durchschnittlich knapp 100 solcher Wohnungen pro Jahr: „Doch das einzige, was gegen Wohnungslosigkeit hilft, sind mehr Wohnungen. Insbesondere Sozialwohnungen und solche für Menschen mit Dringlichkeitsschein.“
„Es fehlen außerdem akzeptable Unterkünfte für die vorübergehende Unterbringung obdachloser Menschen“, bemängelt Meyn. Trotz milder Temperaturen gibt es nur noch etwa 150 Plätze in den Notunterkünften, die das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot generell kritisiert. „Insbesondere in Zeiten von Corona stellen Sammelunterkünfte ein untragbares Infektionsrisiko dar“, sagt Sprecherin Meyn
„Ein weiter so ist keine adäquate Antwort“
Als Sofortmaßnahme fordert das Bündnis daher dezentrale und leicht zugängliche Übernachtungsangebote. Eine Forderung, die die Sozialbehörde wohl nicht umsetzen wird. Aktuell ist die Behörde auf der Suche nach einer Tagesaufenthaltsstätte, die corona-tauglich wäre. Allerdings bislang vergeblich. Pläne für das kommende Winternotprogramm sind noch nicht bekannt.
Das Aktionsbündnis hofft deswegen darauf, dass die Stadt mehr regulären Wohnraum für Menschen in Wohnungsnot schafft. „Hierfür ist ein gesellschaftlich breit angelegter Dialog erforderlich, wie dem strukturellen Problem der Wohnungslosigkeit nachhaltig begegnet werden kann“, sagt Sozialarbeiter Sören Kindt von der Caritas-Krankenstube. „Klar ist: Ein ‚Weiter so‘ ist keine adäquate Antwort auf die sozialpolitischen Herausforderungen dieser Zeit.“
Besorgniserregend: Das Winternotprogramm war in den vergangenen Jahren immer stark ausgelastet. Durch die Corona-Auflagen stehen in den beiden Großunterkünften aber voraussichtlich nur 600 Plätze zur Verfügung – 250 weniger als in den Vorjahren.