Dirk Tietgen hat für Menschen, denen es nicht so gut geht, buchstäblich etwas übrig: Für Hinz&Kunzt sammelt er Münzen – und wundert sich selbst, wie viel Geld dabei zusammenkommt.
(aus Hinz&Kunzt 232/Juni 2012)
„Eigentlich mache ich doch gar nichts Besonderes“, sagt Dirk Tietgen und dreht dabei das alte Schraubglas in den Händen. Ungefähr alle drei Monate ist es voll mit Münzen, vom Ein-Cent-Stück bis zur Zwei-Euro-Münze landet etliches an Kleingeld in dem schlichten Glasbehälter mit dem weißen Deckel. Nach Jahren des Sammelns kann der Architekt gut einschätzen, wie viel Geld mit einer Füllung zusammenkommt. „Rund 100 Euro sind das“, erklärt der 51-Jährige – und das in einem Vierteljahr.
Wenn er Zeit hat, bringt er das Geld selbst bei Hinz&Kunzt vorbei. „Ich bewundere die Arbeit und möchte sie unterstützen, weil ich neben dem Beruf weder die Zeit noch die Energie habe, mich selbst für obdachlose Menschen zu engagieren.“ Dass bei ihm übers Jahr eine hübsche Summe zusammenkommt, findet er nicht der Rede wert: „Das ist nur ein Euro pro Tag. So viel kostet auch das Futter für die Katze.“
Etwas abzugeben an die Menschen, denen es nicht so gut geht, ist für denHamburger eine Selbstverständlichkeit. „Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, da war die Idee, den Zehnten des Einkommens abzugeben, präsent“, sagt der Vater zweier Teenager. Seine Eltern führten lange Jahre einen „Tante-Emma-Laden“ in Fuhlsbüttel. Viel Geld hatte die Familie nicht, man musste sich einschränken, um die drei Söhne großzuziehen. „Große Geschenke oder weite Reisen, das gab’s bei uns nicht“, erzählt er. Sein erstes Geld verdiente Dirk Tietgen damit, Ware für den Krämerladen auszufahren. Davon kaufte er sich sein erstes „richtiges“ Fahrrad, „mit Gangschaltung auf dem Rahmen und mit Tacho“.
Missionarisch will der hanseatisch zurückhaltende Mann beim Sammeln nicht sein: „Ich gehe nicht bei meinen Kollegen rum oder sammle bei meiner Familie.“ Doch das Glas auf seinem Schreibtisch ist für ihn stets präsent – und damit sind es auch die Menschen, für die er sein Kleingeld beiseite legt. „Wenn andere Menschen, die etwas übrig haben, auch eine Kleinigkeit beitragen, dann kann aus unseren gemeinsamen Bemühungen doch etwas größeres Gutes entstehen“, glaubt er und hofft, mit seinem Beispiel andere Menschen „vielleicht ein wenig anzustecken“.
Text: Misha Leuschen
Foto: Kathrin Brunnhofer