Die Initiative Freiheitsfonds hat wieder einmal Menschen aus dem Gefängnis freigekauft, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absaßen. Sie will erreichen, dass niemand im Gefängnis landet, der ohne Ticket den öffentlichen Nahverkehr nutzt.
Kurz vor der Bundestagswahl hat die Initiative Freiheitsfonds nach eigenen Angaben 60 Menschen freigekauft, die eine Haftstrafe wegen Fahrens ohne Fahrschein absaßen. Bundesweit landen jährlich etwa 7000 Menschen im Gefängnis, weil sie wiederholt ohne Ticket Bus oder Bahn gefahren sind. Betroffen sind vor allem Menschen mit wenig Geld. Von den jetzt freigekauften Inhaftierten hatten laut Initiative 87 Prozent keine Arbeit und 15 Prozent nicht einmal einen festen Wohnsitz.
Fachleute wie die Kölner Kriminologin Nicole Bögelein fordern, den Paragrafen 265a im Strafgesetzbuch („Erschleichen von Leistungen“) ersatzlos zu streichen. Die Verfolgung von Menschen, die sich Tickets nicht leisten können, habe „schwerwiegende und unverhältnismäßige Konsequenzen“ – bis hin zum Verlust der Wohnung.
Hinzu kommt: Ersatzfreiheitsstrafen kosten den Staat viel Geld. Mehr als 200 Euro kostet ein Tag Gefängnis pro Häftling etwa in Hamburg. „Zurzeit spricht man im Wahlkampf viel übers Sparen“, sagt Leonard Ihßen, Sprecher der Kampagne Freiheitsfonds: „Mit unserem Gefangenenfreikauf zeigen wir: Sparen – das geht auch sozialverträglich. Indem dieses veraltete Strafgesetz abgeschafft wird, würden jährlich rund 120 Mio. Euro Steuergeld eingespart werden.“
Die Ampel-Koalition im Bund hatte in der jetzt endenden Legislatur zumindest eine Reform umgesetzt, die dafür gesorgt hat, dass Betroffene für die gleiche Geldstrafe nur noch halb so lange ins Gefängnis müssen. Ex-Justizminister Marco Buschmann (FDP) wollte das Fahren ohne Fahrschein zudem von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen – hat dieses Vorhaben aber nicht umgesetzt.
Städte wie Köln und Düsseldorf haben ihre Verkehrsverbünde angewiesen, keine Strafanzeigen mehr gegen Menschen zu stellen, die wiederholt ohne Fahrschein Bus oder Bahn gefahren sind. Stattdessen werden bei Verstößen lediglich zivilrechtliche Forderungen in Form eines erhöhten Beförderungsentgeltes in Höhe von 60 Euro erhoben. Einen Bürgerschaftsantrag der Hamburger Linken, der das auch für Hamburg forderte, lehnten SPD, Grüne, CDU und AfD im Mai 2024 ab.
Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) stellte sich im Interview mit Hinz&Kunzt noch einmal gegen den Vorschlag. Auf die Frage, ob sie den HVV anweisen würde, keine Strafanzeigen mehr zu stellen, sagte sie: „Das klingt erst mal charmant, aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass dies das Problem des Fahrens ohne Fahrschein verschärfen würde. Deswegen gehen wir in Hamburg den Weg, das Sozialticket sehr stark zu bezuschussen und so die Mobilität insbesondere für Menschen im Leistungsbezug durch einen Zuschuss der Stadt sehr günstig zu machen.“