An verschiedenen Stellen im Hafen arbeiten immer mehr Frauen, und sie verändern seine Strukturen. Zeit, sie zu fragen: Wie arbeitet es sich hier – und wie muss sich dieser Ort entwickeln?
Es heißt bis heute, der Hamburger Hafen sei eine raue Männerwelt, doch wer genau hinsieht, merkt: Das stimmt so nicht. Seit Jahrzehnten prägen Frauen in unterschiedlichen Berufen den Hafen, nur waren sie meist unsichtbar, übernahmen schlecht bezahlte Jobs. Heute werden sie sichtbarer: Es arbeiten Frauen als Mechatronikerinnen, Gabelstaplerfahrerinnen, in der Einsatzleitung oder der Logistik. An vielen verschiedenen Stellen verändern sie den Hafen von innen.
Wir haben fünf von ihnen getroffen. Wie arbeiten sie – und wie denken sie über die Zukunft des Hafens?
Fanny Löwenstrom ist 27 Jahre alt. Sie war eine der ersten Festmacherinnen im Hamburger Hafen, heute arbeitet sie bei der Firma Fairplay in der Einsatzleitung. Sie teilt Schlepper ein, die den großen Containerschiffen helfen, durch den Hafen zu manövrieren:
„Als ich 2019 für mein Studium nach Hamburg gezogen bin, habe ich einen Job gesucht. Ein Freund von mir war damals bei den Festmachern, und ihn habe ich gefragt, ob sie dort auch Frauen einstellen würden. Wir waren vorher zusammen bei der Marine gewesen, und da habe ich denselben Job schon vom Schiff aus gemacht. Sie haben mich genommen, und ich habe in Teilzeit als Festmacherin gearbeitet, habe Schiffe fest- und losgemacht, ganz normal im Schichtsystem, Tag und Nacht. So bin ich in den Hafen gekommen.
Jetzt arbeite ich seit einem Monat bei Fairplay in der Einsatzleitung. Auch hier arbeite ich vor allem mit Männern zusammen. Der Job gefällt mir sehr gut: Ich muss planen, wann die Schlepper an welcher Stelle sein und was sie genau machen müssen. Wir organisieren das möglichst weit im Voraus, aber man muss auch schnell reagieren können.
Mir begegnen im Hafen sehr viele Männer auf Augenhöhe, aber es gibt schon noch alte Strukturen, in denen man als Frau in ihrer Arbeit nicht ernst genommen wird. Ich merke aber, dass sich etwas ändert (siehe hierzu die Meldung auf Seite 32), gerade in den vergangenen zwei Jahren fällt das auf. Ich glaube der Wandel geschieht auch, weil man die jüngere Generation wieder für handwerkliche Berufe begeistern will. Und dass es dieser Generation wichtig ist, die Strukturen im Hafen neu zu denken und dabei möglichst alle mitzunehmen.“
Annika Fronzek arbeitete fünf Jahre lang auf einem Kreuzfahrtschiff. Heute kümmert sich die 29-Jährige im Seemannsclub Duckdalben und der Seafarers’ Lounge um Seeleute aus aller Welt. Weil in der Kreuzfahrt viele Frauen arbeiten, ändern sich auch hier die Bedürfnisse. Fronzek weiß aus Erfahrung, was an Bord wichtig ist:
„Mich hat es immer in die weite Welt gezogen, aber im Januar bin ich das letzte Mal von Bord gegangen. Zu den Duckdalben und in die Seafarers’ Lounge kam ich, weil ich durch Corona von einer Woche auf die andere arbeitslos war, die Schiffe durften ja nicht mehr fahren. Meine Erfah- rung an Bord hilft mir nun hier.
Ich finde die Arbeit so wichtig, weil Seeleute für unsere Waren monatelang durch die Welt fahren, aber oft nicht gesehen werden. Wir dagegen sehen diese Leute und bieten ihnen einen Rückzugsort.
Wenn die Seeleute abends von den Schiffen zu uns kom- men, heißt das für uns, die wichtigsten Dinge zu besorgen, aber auch, sich mal locker zu unterhalten und zu fragen: ,Wie geht es dir wirklich?‘
An meinem ersten Abend hat mich eine Seefrau leise nach einem Schwangerschaftstest gefragt. So etwas ist an Bord unmöglich zu bekommen. Wenn du schwanger bist und hast in deinem Vertrag noch neun Monate auf dem Schiff vor dir, wie soll das funktionieren?
Auf Handelsschiffen sind die meisten Seeleute Männer, an Bord bekommst du als Frau zum Beispiel für die Menstruation gar keine Produkte. In den Häfen ist man fernab von Supermärkten. Wir besorgen das, wir fahren mit allen zur Apotheke oder zum Arzt, wenn sie etwas brauchen.“
Birgitt von Zengen ist 58 Jahre alt, seit drei Jahren arbeitet sie an der Schiffstankstelle nahe den Landungsbrücken, der „HBS-Bunkerstation“. Bei ihr tanken kleinere Schiffe wie Barkassen, Schlepper oder die Wasserwacht:
„Ich habe fast 30 Jahre lang in einer Kneipe gearbeitet. Dass es eine Schiffstankstelle an den Landungsbrücken gibt, wusste ich gar nicht. Ich hab dann gemerkt, man muss ein bisschen seefest sein, weil es auf dem Tank-Ponton oft stark wackelt. Handwerklich begabt war ich schon immer. Mein Vater hat mir viel beigebracht, und zu Hause mach ich viel selbst, dafür brauch ich keinen Mann. Hier auf der Tankstelle muss man auch mal ein defektes Kabel reparieren, sonst geht nichts weiter und die Schiffe können nicht bunkern, also tanken. Die meisten, die bei uns anlegen, sind Männer – aber die Jungs sind ziemlich tolerant. Sie sind hilfsbereit und packen auch mal mit an, wenn man mehrere 20-Liter-Eimer voll Öl schleppen muss. Mich ärgert so was nicht, ich find das gut. Ich kenne das schon aus der Kindheit so, dass man sich die Arbeit aufteilt. Meine Eltern haben
beide gearbeitet und sich um den Haushalt gekümmert. Das ist für mich Gleichberechtigung, das große Ganze: wenn die Männer den Frauen helfen und die Frauen den Männern. Die fragen uns nämlich auch, wenn sie mal Hilfe brauchen und freuen sich, wenn wir mit anpacken.“
Yasmin Şahin ist 24 Jahre alt und wird gerade zur Polizistin ausgebildet:
„Eine Woche lang war ich Hospitantin bei der Wasserschutzpolizei, das war megacool – du denkst, du kennst Hamburg, aber vom Wasser aus merkst du, dass du vieles doch noch nicht kennst. Ich war zum Beispiel auf Containerschiffen unterwegs, stand oben auf der Brücke, wo der Kapitän sitzt. Das ist schon beeindruckend. Ob ich bei der Wasserwacht bleiben möchte? Eher nicht, denn ich möchte zur Bereitschaftspolizei gehen, bei Großeinsätzen in der Stadt dabei sein, zum Beispiel bei Demos oder Fußballspielen. Das liegt, ehrlich gesagt, auch daran, dass so ein Schiff ganz schön wackelt, wenn es beschleunigt. Bei jeder Schicht zwölf Stunden auf dem Wasser sein, da würde ich zu oft seekrank werden.“
Maike Brunk hat sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht und bietet Barkassenfahrten durch den Hamburger Hafen an. Mehr als 150 Touren fährt sie im Jahr. Die 51-Jährige führt an Orte, die auch viele Hamburger:innen nicht kennen – und spricht über Themen, die sie wichtig findet, damit der Hafen und seine Umwelt eine Zukunft haben:
„Nach dem Studium habe ich neun Jahre in der IT gearbeitet, gutes Geld verdient, aber mir fehlte jeden Tag die Motivation. Bis ich auf die Idee mit den Elbinseltouren kam. Der Anfang war schwer, die Gäste fallen einem ja nicht einfach so ins Schiff. Ich dachte, ich stell mich mit einem Plakat an die Landungsbrücken und kobere: ,Kommt doch alle mal mit!‘ Es kam dann aber erst mal die Polizei, weil man das nicht darf. Ich habe Flyer und T-Shirts mit meiner Website drucken lassen, 400 Leute am Hafen befragt. Irgendwann kam ich an meine erste, größere Tour und habe gemerkt, ich möchte auch die Moderation übernehmen.
Bei mir auf dem Schiff gibt es auch kritische Diskussionen. Ich bin nicht der Meinung, dass Hafenwachstum um jeden Preis sinnvoll ist, und hinterfrage gerne auch mal die Elbvertiefung. Meist fahre ich rund um Wilhelmsburg oder über die Bille, mehr als 70 Prozent meiner Gäste sind aus Hamburg. Ihnen zeige ich einen anderen Blick auf ihre Stadt.“