Erfindungen kosten Schlaf, Geld und Zeit – und verschwinden meist in der Schublade. Warum können Menschen das Tüfteln trotzdem nicht lassen? Wir haben beim Hamburger Erfinder-Stammtisch nachgefragt.
Der Erfinder-Stammtisch ist gar nicht leicht zu finden. Auch der Kellner im Barmbeker Lokal muss erst mal den Chef fragen. In einem kleinen Hinterzimmer trifft sich die Hamburger Sektion des Deutschen Erfinderverbandes einmal im Monat zum Erfahrungsaustausch und Netzwerken – eigentlich. Mehr als 220 Jahre Erfindererfahrung sind auch an diesem Abend dort versammelt – bei genau drei Personen. Neben Felix Günter Beyer (61) sind auch Werner Wiesner (82) und Harald Beck (82) gekommen und fachsimpeln eifrig wie Schuljungs über die Messung von Schienenbewegungen bei Zügen. „An der Elbe haben Erfinder es nicht leicht“, sagt Felix Günter Beyer, selbst Erfinder und kommissarischer Leiter der Hamburger Sektion des Deutschen Erfinderverbandes, und zuckt die Schultern. „Die Hamburger sind mehr Kaufmann als Erfinder.“
Der Nachwuchs fehle im Moment, sagt der 61-Jährige; mit Corona sei das Vereinsleben in Hamburg dann fast komplett zum Erliegen gekommen. Dabei hat der Verband viel zu bieten: Hilfe bei Patent- und Rechtsfragen, fachlichen Austausch, Vernetzung im In- und Ausland, Interessenvertretung, Unterstützung beim Marketing. Das Einzugsgebiet der Hamburger Sektion ist groß, auch Niedersachsen und SchleswigHolstein gehören dazu. Seit 95 Jahren gibt es den deutschen Erfinderverband, nach eigenen Angaben die größte berufsständige und unabhängige Vereinigung von Erfinder:innen in Deutschland. 16 Sektionen decken das gesamte Bundesgebiet ab, der Verband finanziert sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.
Aber wann ist man Erfinder:in und woran merkt man, dass eine Idee mehr ist als ein kurzer Geistesblitz? Viele Erfinder:innen machen ihre Entdeckungen bei der Arbeit – als Forscher:in oder Wissenschaftler:in der unterschiedlichsten Fakultäten, an Instituten und Universitäten, aber auch in von Erfinder:innen geprägten kleinen und mittleren Unternehmen – heute nennt man sie Start-ups.
Maschinenbauingenieur Werner Wiesner entwickelte zahlreiche Innovationen für die Deutsche Bahn, Ingenieur und Konstrukteur Harald Beck Mess- und Inspektionsgeräte für Öl-Pipelines. Als Rentner habe er sich weiter damit beschäftigt und Verfahren für Gasleitungen weiterentwickelt, „alles am Rechner zu Hause“. Nun fragt er sich, ob sich das alles noch lohne, wenn die Politik von Öl und Gas wegwolle: „Ich habe da schon viel Arbeitsleistung reingesteckt.“
Werner Wiesner, der klassische Tüftler, hat eine eigene Werkstatt im Haus, eine geduldige Ehefrau und immer noch jede Menge Ideen für Erfindungen, die Erleichterungen im Alltag bringen sollen – ein klassischer freier Erfinder, der unentwegt konstruiert und Ideen entwickelt. „Manchmal liege ich nachts wach und denke über ein Problem nach, bis ich eine Lösung habe“, erzählt er. Wenn er die gefunden hat, geht er in seine Werkstatt und baut Modelle und Prototypen. Schon als Kind habe er mit der MärklinEisenbahn rumprobiert, sie umgebaut und verbessert. Gab es Förderung im Elternhaus? „Ich war ein Flüchtlingskind, die Eltern hatten andere Sorgen“, sagt er und Harald Beck nickt, er kennt das. „Wir waren auf uns selbst gestellt.“
Auch Felix Günter Beyer wollte schon als Kind wissen: Warum ist das so und nicht anders? Seine Eltern bremsten die Fantasie des Sohnes, seine Kreativität durfte er nicht ausleben, was er sehr bedauert. „Jetzt bin ich in Rente und will das tun, was mir Spaß macht“, sagt er entschlossen. Der Fliesenleger und Diplom-Betriebswirt hat eine seiner Erfindungen schon weit vorangetrieben, will aber nicht darüber sprechen und ist dankbar über den geschützten Rahmen des Verbandes. Denn Ideenklau ist das Schreckgespenst der Erfinder:innen – und das Anmelden eines Patents sehr teuer. „Das können schon mal bis 20.000 Euro sein“, weiß Werner Wiesner. Da sei guter Rat, wie die Mitglieder ihn vom Verband bekommen können, Gold wert, sagt Felix Günter Beyer. Er hofft, dass wieder mehr Erfinder:innen das Angebot des Verbandes nutzen werden. Im Barmbeker Hinterzimmer sind sie bereit.