Nach vier Wochen Protest : Flüchtlinge fordern Bleiberecht

Die Flüchtlinge aus Libyen fordern in einem offenen Brief eine Aufenthaltsgenehmigung für Hamburg. Über eine Sonderregelung im Gesetz sei das möglich. Inzwischen erleben sie nicht nur Solidarität aus der Bevölkerung, sondern auch Rassismus.

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Pastor Wilm (links) zusammen mit Flüchtlingen und Publikum bei der Einweihung der Skulptur „Tankstelle der Hoffnung“ in seinem Kirchgarten auf St. Pauli.

Nach vier Wochen des Protests haben die libyschen Flüchtlinge dem Senat jetzt einen konstruktiven Vorschlag gemacht, wie ihnen der Senat ein Bleiberecht zusprechen könnte. Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes ermöglicht es einem Bundesland, einer Gruppe von Flüchtlingen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Der Senat hatte stets darauf verwiesen, dass die Rechtslage klar sei: Nach der Dublin-II-Verordnung ist Italien regulär für die Flüchtlingsgruppe zuständig, weil sie dort nach ihrer Überfahrt über das Mittelmeer erstmals EU-Territorium betreten haben. Deshalb müssten die Flüchtlinge dorthin zurück.

Offenbar hätte der Senat den Spielraum, den Flüchtlingen ein Bleiberecht in Hamburg zu verschaffen. „Das ist nach dem Gesetz möglich“, sagte Rechtsanwältin Daniela Hödl am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Weil die Bedingungen für Flüchtlinge in Italien sehr schlecht seien, könnte die Sonderregelung im Aufenthaltsgesetz genutzt werden. „Es geht um gravierende Menschenrechtsverletzungen und nicht um Kleinigkeiten“, so Hödl. Es sei eine politische Entscheidung und keine juristische, die der Senat treffen müsse.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Das Bundesinnenministerium müsste laut Gesetz der Regelung zustimmen. Doch in der Innenbehörde ist man sich sicher: „Die würden dem nicht zustimmen“, sagt Behördensprecher Frank Reschreiter. „Die Position des Bundesinnenministeriums ist glasklar und wird sich auch nicht ändern. Hamburg hat gar keine Handlungsoption.“ Tatsächlich lautet die Antwort aus Berlin: „Es gibt dafür keinen Grund“, so Innenministeriumssprecher Hendrik Loerges gegenüber Hinz&Kunzt. Schließlich hätten die Flüchtlinge bereits in Italien Schutz bekommen.

Bedrohungen gegen Kirche auf St. Pauli 

Unterdessen bekommen die Flüchtlinge auch Rassismus zu spüren. Auch als Folge von Medienberichten: Am Montag schrieben mehrere Zeitungen, einer der Flüchtlinge hätte einen Bahnmitarbeiter mit Messern bedroht. „Das war keine Information, das war Manipulation“, schimpft Pastor Sieghard Wilm. Der Mann mit den Messern gehöre nicht zur Gruppe der Flüchtlinge. Wilm beherbergt 80 der bis zu 300 Flüchtlinge in seiner Kirche auf St. Pauli. „Montag und Dienstag hatte ich eigentlich nur damit zu tun, einen Brand nach dem anderen auszutreten“, sagt er. Rassistische Beleidigungen müsste der Pastor telefonisch und per E-Mail abwehren, auch auf der Straße und per Post werde er angepöbelt. Bereits in der Woche zuvor hätten zwei offensichtliche Neonazis die Kirche ausgekundschaftet und Helfer mit Flaschen beworfen. Auch deswegen schieben in jeder Nacht Ehrenamtliche Wache in der Kirche.

Trotzdem: Die Unterstützung für die Flüchtlinge aus der Nachbarschaft auf St. Pauli ist nach wie vor groß. Zuletzt initiierten Anwohner eine Wäsche-Kette: Säckeweise holen sie die Schmutzwäsche der Flüchtlinge aus der Kirche und waschen sie bei sich zu Hause. „Wir danken allen, die uns unglaublich viel Solidarität und Herzlichkeit entgegen gebracht haben“, sagt Affo Tchassei, Sprecher der Flüchtlinge. Asuquo Udo ergänzt: „Wir können nicht für immer auf die Solidarität angewiesen sein, wir wollen selbst für unseren Lebensunterhalt aufkommen!“ Dass die Unterkunft in der Kirche nur eine zeitlich begrenzte Notlösung ist, sagt auch Pastor Wilm: „Solange der Stadtteil das mitträgt, geht das. Aber nach dem Sommer weiß ich auch nicht weiter.“

Text und Foto: Benjamin Laufer

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