Während des Kirchentages treffen sich an 40 Orten Menschen für ein Gespräch von 40 Minuten – zu der Aktion „Faithbook Hamburg“ von Michael Batz. Mitmachen kann jeder.
(aus Hinz&Kunzt 242/April 2013)
Eine Aktion mit Licht – die sollte Michael Batz zum komme den evangelischen Kirchentag in der ersten Maiwoche auf die Beine stellen. „Ist ja auch naheliegend bei mir“, sagt der Theatermann und Lichtkünstler. Aber – falsche Jahreszeit: „Anfang Mai ist es erst gegen 22 Uhr dunkel genug für eine Lichtinstallation.“ Und er überlegte sich etwas anderes: „Faithbook Hamburg“, abgeleitet vom englischen Wort „Faith“ wie „Glaube“ oder auch „Vertrauen“ und natürlich mit Blick auf das soziale Netzwerk Facebook, das weltweit Menschen verbindet, oft, ohne dass diese sich je im echten Leben begegnen.
Doch soll nun niemand an den heimischen PC gelockt werden, sondern ganz im Gegenteil: Wildfremde Menschen sollen sich paarweise während des Kirchentages mitten in der Stadt treffen, sich gegenübersitzen und miteinander ins Gespräch kommen. Und da diese Aktion eben während des Kirchentages stattfindet, spielt die christlich-symbolische Zahl 40 eine entscheidende Rolle: 40 Orte sollen es werden, die einzelne Begegnung wird 40 Minuten dauern, nach 40 Stunden ist alles vorbei. Worüber geredet wird – da gibt es keinerlei Vorgaben. Und es gibt kein Publikum. Lediglich eine Videokamera läuft mit, denn am Ende soll aus all den Begegnungen ein Film geschnitten werden – von 40 Minuten Länge.
Michael Batz interessiert, welche Vorstellung wir von der Stadt haben – besonders mit Blick auf die Religion: „Schauen Sie bitte in die Bibel: Dort ist die Stadt der Ort der Sünde. Die Stadt, das ist Sodom und Gomorrha, in der Stadt Jerusalem wird Jesus zu Tode kommen. Und als Jesus sich für 40 Tage in die Wüste zurückzieht, mit was will ihn der Teufel verführen, dieser schwarze Kerl?“ Er schaut an sich herunter und muss lachen: Von den Socken über die Hose bis zum Pullover, alles an ihm ist schwarz. Jedenfalls, der Teufel führt Jesus an den Rand der Wüste, zeigt ihm die Stadt, verspricht ihm deren Schätze, aber Jesus lehnt bekanntlich ab.
Jeder kann mitmachen
Michael Batz lächelt etwas süffisant: „Von daher müsste der Kirchentag eigentlich nicht in einer Großstadt wie Hamburg stattfinden, sondern weit draußen auf der grünen Wiese, und man dürfte da auch nicht von Veranstaltung zu Veranstaltung rennen, sondern müsste miteinander schweigen, vielleicht noch christliche Lieder singen.“ Doch man müsste gar nicht in die Bibel schauen, um sich so seine Gedanken über die Stadt und die Wüste zu machen: „Denken Sie an so etwas Banales wie die Jever-Reklame, wo sich der Yuppie nach hinten in den Sand fallen lässt und plötzlich glücklich ist. Denken Sie an den alten Spontispruch ‚Unter dem Pflaster liegt der Strand‘, der uns weismachen will, wir müssten nur das Stadtpflaster wegreißen, um ins Paradies zu gelangen. Oder denken Sie an die islamistischen Wüstenkrieger wie in Mali, die losziehen, die Stadt zu erobern und mit als Erstes die Bibliotheken, das Gedächtnis der Stadt, zerstören wie unlängst in Timbuktu.“
Batz möchte daher für die Stadt werben: als einen Ort, in dem alles möglich ist und in dem die unterschiedlichsten Menschen ihren Platz finden. Deshalb ist auch jeder aufgerufen, mitzumachen – vom Bürgermeister bis zum Hartz-IV-Empfänger. Und auch der junge Mann aus Freiburg oder die ältere Dame aus der Lüneburger Heide, die zum Kirchentag nach Hamburg reisen werden, mögen sich melden. Wobei es Batz wichtig ist, dass nicht hinter den Kulissen vorweg Paare zusammengestellt werden, von denen man meinen könnte, die Kombination sei besonders schrill oder ganz besonders passend. „Der Kollege Zufall ist viel klüger als wir mit unseren Absichten und Strategien“, sagt er. „Außerdem bin ich gegen jede Form von Exklusivität.“
Orte sucht er noch, hat aber schon jede Menge Ideen: „Ich denke an ein Bestattungsinstitut, ich denke an einen Kreißsaal, wo das Leben beginnt. Ich kann mir aber auch eine normale Lottoannahmestelle vorstellen, denn gibt es einen größeren Sehnsuchtsort?“ Es sollen Orte sein, die auf ihre Weise mitreden, die aber nicht brüllen: „Dass sich jetzt zwei zum Gespräch in der Herbertstraße treffen, also das wäre mir zu sehr mit der Brechstange.“ Wichtig ist ihm auch, dass man sich nicht allzu sehr vom Umfeld des Kirchentages beeinflussen lässt: Anders als beim Wort zum Sonntag, wo der Pastor erzählt, was er neulich an der Käsetheke erlebt hat, aber am Ende hundertprozentig bei Gott ankommt, muss man nicht über seinen Glauben oder auch Nichtglauben sprechen. Offenbar trifft er damit einen Nerv unserer Zeit: „Viele, die ich schon mal angesprochen habe, haben gesagt: ‚Ich mache gerne mit. Aber nur, wenn ich das auch als Atheist kann.‘“
Text: Frank Keil
Anmelden kann man sich unter www.faithbook-hamburg.de