EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit will mit dem Konzept „Housing First“ Obdachlosigkeit bekämpfen. Notunterkünfte gehen dem Sozialdemokraten nicht weit genug.
Obdachlosigkeit bis 2030 in ganz Europa überwinden: Das ist seit vergangenem November das erklärte Ziel des Europaparlaments. Im Interview mit der „Zeit” erläutert EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit jetzt, wie man diesem Ziel aus seiner Sicht zumindest näher kommen kann. Explizit spricht er sich etwa für das Modell Housing First aus. Dabei erhalten Obdachlose Wohnungen, ohne vorher Bedingungen erfüllen zu müssen. „Das Konzept von Housing First plus soziale Dienste, die die Menschen unterstützen, ist wahrscheinlich ein richtiger Ansatz“, sagt er im Interview mit der Wochenzeitung.
In Hamburg hat die Bürgerschaft im Januar 2020 ein Housing-First-Modellprojekt auf den Weg gebracht, das der Senat bislang aber noch nicht umgesetzt hat. Zuletzt hatte im Bezirk Mitte ein Parteienbündnis aus SPD, CDU, FDP, Grünen und Linken gemeinsam den baldigen Start des Projekts gefordert.
Schmit kritisiert Hilfssysteme, die Obdachlosen lediglich Notschlafstätten anbieten: „Bisher haben Kommunen und Länder sich darauf konzentriert, Obdachlosen vor allem im Winter eine Notunterkunft bereitzustellen“, moniert der luxemburgische Sozialdemokrat: „Morgens müssen sie wieder gehen und der Zyklus beginnt von vorn. Das dahinterliegende Problem wurde dadurch nicht angegangen.“ Kritik übt er außerdem an der Kriminalisierung von Obdachlosigkeit, wie sie in Ungarn stattfindet. In dem EU-Mitgliedsstaat müssen Obdachlose Geld- und Haftstrafen fürchten, wenn sie auf öffentlichen Plätzen übernachten.