Enter Hamburg 2.0

Das Wandern ist des Esels Lust

Hinz&Künztler Gerrit genießt die Aussicht über die Elbmarsch. Eselin Paula genießt das Grün. Foto: Imke Lass

Der Weg ist das Ziel: Die „Eselei“ ermöglicht bei Bergedorf Entschleunigung und Natur zu erleben – mit tierischer Begleitung. Ein Auszug aus unserem Sondermagazin „Enter Hamburg 2.0“.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Es ist Liebe auf den ersten Blick. Alle möchten die vier plüschigen Esel, mit denen wir wandern gehen werden, sofort streicheln und vor allem an die langen ­Ohren fassen. Andreas Kirsch, ihr Besitzer, kennt das schon. „Nicht gleich an die Ohren gehen“, ermahnt der 65-Jährige freundlich, aber bestimmt. „Erst einmal am Hals streicheln. Das ist eine respektvolle Art, Kontakt aufzunehmen.“ 

Der weißhaarige Mann achtet gut auf seine vier felligen Mitarbeiter:innen. Zwei Zwergesel und zwei Hausesel leben auf einem großen Gelände neben seinem Einfamilienhaus. Der Auslauf von Moritz, Maja, Paula und Pinu’u am Rande von Bergedorf ist picobello sauber, die Esel sehen gepflegt aus. Bevor wir mit den vier Huftieren zur Wanderung aufbrechen, ist erstmal eine Kennenlernrunde angesagt. „Du kannst rauskommen, Süßer“, ruft Kirsch seinem Liebling Moritz zu. Der Zwergesel möchte offensichtlich lieber im Stall bleiben. Also beschreibt Kirsch die Tiere erst mal mit liebevollen Worten: „Die Esel sind sehr soziale und besonnene Wesen“, erzählt der Fachmann. „Eine Hierarchie kennen sie nicht. Das heißt, man muss sie immer wieder überzeugen.“ 

Doch zunächst steht das Striegeln der Tiere auf dem Programm. „Das ist soziale Kontaktaufnahme“, erklärt Kirsch. Endlich dürfen wir die Esel streicheln und bürsten. Die genießen das. Auch die weichen Ohren dürfen jetzt gekrault werden. „Aber auf die Körpersprache achten“, sagt der Eselexperte. „Jedes Tier hat andere Vorlieben. Wenn sie die Ohren anlegen oder euch gar ihre Rückseite zuwenden, zeigen sie ihr Missfallen.“ 

Schließlich legt Andreas Kirsch den Eseln Satteltaschen auf, die Lebensmittel und Getränke für ein Picknick enthalten, und nach einer Probe-Führrunde auf einem umzäunten Auslauf setzt sich unsere kleine Karawane in Bewegung. Vorher gibt es noch eine letzte Gebrauchsanweisung: „Esel laufen nicht weg. Sie bleiben stehen.“ Das klingt ermutigend. „Die Esel wollen immer fressen“, erläutert der Eselvater weiter, „das muss verhindert werden. Und zwar geht das nur durch rechtzeitiges Rumziehen des Kopfes mit dem Strick.“

„Esel laufen nicht weg. Sie bleiben stehen.– Andreas Kirsch

Klingt doch eigentlich machbar, denken wir. Zumal Kirsch die Sanftmütigkeit der Tiere betont hat. Doch schon auf dem Weg zur Straße hört man die ersten Flüche. „Verdammt, du sturer Bock“, ruft Kollegin Susanne aus dem Hinz&Kunzt-Rechnungswesen, die ihren Esel eben noch so niedlich fand. Immer wieder gelingt es Pinu’u, blitzschnell den Kopf zu senken, um Gras oder Blätter zu knabbern. Auch Verkäufer Gerrit hat in seiner grauen Gefährtin seine Meisterin gefunden: In gefühlt 80 Prozent der Fälle kann der kräftige Mann Paula nicht vom Naschen am Wegesrand abhalten.

Zum Glück führt der Weg bald ein Stück an der Straße entlang und sogar über eine Ampel. Hier gibt es weder Gras noch andere Versuchungen. Dann steht unser Trupp vor einer Treppe. Da sollen wir hoch? „Auf geht’s!“, ruft Andreas Kirsch. „Esel kommen aus der Wüste und dem Gebirge, die können das!“ Und wie sie das können! In schnellem Takt klappern die kleinen Hufe rund 100 Stufen nach oben. Nur Moritz bleibt ab und zu stehen. Ob ihm etwas fehlt? „Das liegt nur an seinem Herzschrittmacher“, beruhigt unser Wanderführer. Wie bitte? „Moritz wurde früher immer ohnmächtig“, erzählt Kirsch. In der Tierklinik Hannover habe er schließlich die Diagnose „Herzprobleme“ bekommen – und eine Empfehlung für einen Professor in Belgien, der in solchen Fällen helfen kann. „Also habe ich Moritz einen Herzschrittmacher einsetzen lassen. Ich habe durch seine Krankheit viel Zeit mit ihm verbracht, das verbindet uns sehr.“

Die Eselei

Brookdeich 288 in 21029 Hamburg-Bergedorf, Telefon 040 – 72 97 70 51 oder 0151 – 26 82 11 71.

Ein- bis zweistündige Schnuppertermine: 10 Euro pro Person und Stunde, ohne Wanderung. Vierstündige Halbtageswanderung: 80 Euro pro Esel. Siebenstündige Tageswanderung inklusive Picknick: 140 Euro pro Esel.

Es teilen sich immer zwei Personen ein Tier, da es gut ist, sich zwischendurch abzuwechseln. Infos: www.dieeselei.de

Schließlich ist auch Moritz oben angekommen und hat es eilig, zu seinen Kumpels aufzuschließen. Den Herdentieren sind ihre Artgenoss:innen fast genauso wichtig wie etwas zu fressen. Unsere Tour führt einen schattigen Waldweg entlang bis zu einem ersten kurzen Stopp. Wir stehen 60 Meter über der Elbe und haben einen tollen Ausblick über die Elbmarsch. Die Vierbeiner dürfen kurz knabbern, während Andreas Kirsch einen knappen Abriss über die Entstehung der Landschaft gibt. Weiter geht es an Wiesen vorbei zu einem Picknickplatz am Rand eines Feldes. Die Pause kommt gerade recht. Die Arme sind schon ein wenig lahm vom Halten des Führstricks, und die Sonne scheint so schön warm. Zum Glück mussten wir unsere Wegzehrung nicht selbst tragen. Die haben wir uns jetzt redlich verdient.

Mit geübten Griffen holt Andreas Kirsch die Zutaten fürs Picknick aus den Satteltaschen. Die Esel haben auch Pause und stecken die Köpfe ins Gras. Es sieht friedlich aus und fühlt sich gerade an wie Urlaub! Für uns jedenfalls. Kirsch hat immer ein Auge auf seine Esel. Man könnte meinen, er hätte noch nie etwas anderes gemacht, dabei ist er ausgebildeter Schiffbauingenieur. Die „Eselei“ hat er erst 2016 gegründet. „Das war eigentlich eine Schnapsidee“, erzählt Kirsch. „Meine Frau und ich sprachen über Wandern im Rentenalter und dass wir dann einen Esel brauchen, der unser Gepäck trägt.“ Aus der Schwärmerei wurde Ernst. „Ich habe das noch keinen einzigen Tag bereut.“ 

Es wird Zeit für den Rückweg. Inzwischen läuft es besser mit den Eseln. Man groovt sich ein im Lauf der Zeit. Die Gespräche verstummen, alle sind entspannt und vielleicht auch ein bisschen erschöpft. Nach drei Stunden sind wir zurück am Stall. Die Esel bekommen ihre Futterschüsseln serviert, mit großer Ruhe und netten Worten von Andreas Kirsch. Es war ein besonderes Erlebnis für alle. „Ich wollte schon immer eine Eselwanderung machen“, sagt Gerrit. „Es war eine ganz schöne Herausforderung. Aber es macht großen Spaß.“

Artikel aus der Ausgabe:

Enter Hamburg 2.0

Entdeckungstouren zu Stadt, Land und Fluss. Alle draußen, viele günstig, keine langweilig.

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Autor:in
Sybille Arendt
Sybille Arendt
Sybille Arendt ist seit 1999 dabei - in der Öffentlichkeitsarbeit und der Redaktion.

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