Kolumne #kleingartenlife

Es lebe die Faulheit!

Während Benjamin Laufer buddelt, genießt Annette Woywode das Leben. Foto: Dmitrij Leltschuk

Kleingärtner:innen wie Kolumnist Benjamin Laufer führen einen endlosen Kampf. Unsere Redakteurin Annette Woywode empfindet Mitleid dafür.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Der Arme! Kaum im Garten angekommen, fängt Kollege Benjamin Laufer an, frisch gesprossene Disteln aus der Erde zu ziehen. Der Schachtelhalm wuchert auch schon wieder, und das ärgert ihn. Selbst lobende Worte muntern unseren Kolumnisten nicht auf. Dabei sage ich ehrlich anerkennend: „Dein Rasen sieht ja super aus!“ Doch er stöhnt nur: „Ach, hör mir auf mit dem Rasen. Ich habe eine schnell wachsende Sorte gesät. Jetzt muss ich jede Woche mähen.“

So sind sie, die Laubenpieper:innen. Da haben sie einen Ort, an dem sie sich eigentlich entspannen wollen, stattdessen sind sie zwanghaft am Arbeiten. „Ich müsste unbedingt in den Garten zum Gießen“, jammern meine klein­gärtnernden Freund:innen. Oder: „Ich muss dringend die Hecke schneiden.“ Alternativ: „Wir müssen schon wieder die Laube streichen.“ Auch schon oft gehört: „Die Schnecken haben das ganze Gemüse gefressen.“ Ein ewiges Lamento. Warum tun die sich das bloß an?

Es ist ja nicht so, als könne ich mit einer Parzelle nichts anfangen. Ich habe selbst eine. Seit Jahren steht mein alter Wohnwagen in den Sommermonaten am Rissener Ufer auf dem Elbecamp. Gartenarbeit bringt dort nichts, denn dieser Zeltplatz im Landschaftsschutzgebiet liegt quasi am Strand. Ecken mit Mutterboden sind rar. Stattdessen: überall Sand. Auf meiner Parzelle gedeiht höchstens Trockenrasen. Nicht mal Strom haben wir Dauer-camper:innen. Genau deshalb habe ich mich für diesen Platz entschieden. Ich komme dort an und kann einfach nichts tun. Nur abschalten. 

Sitzen und schauen – das ist wahre Erholung. Auch ich musste ein wenig üben, dabei nicht unruhig zu werden oder das gar als Zeitverschwendung zu empfinden. Das gebe ich zu. Schließlich leben wir in einer Gesellschaft, in der Lob und Verständnis nur diejenigen bekommen, die fleißig sind. Für Untätigkeit muss man sich rechtfertigen – sogar vor sich selbst. Inzwischen halte ich es wie der Schriftsteller Björn Kern: „Das Beste, was wir tun können, ist nichts“ heißt eines seiner Bücher (Fischer Taschenbuch, 2016). Darin beschreibt er, warum Nichtstun durch und durch positiv ist: Es macht glücklich, ist unschädlich und umweltfreundlich, also absolut nachhaltig. Der Blutdruck sinkt, die Stimmung steigt, gewissermaßen. 

Das Tolle ist: Nichtstun geht überall! Auf dem Minibalkon, im Park, im Wohnzimmer … Man muss dafür keine Parzelle pachten. Habe ich alles aus­getestet in langen Wintermonaten. Da müssen wir nämlich das Elbecamp verlassen, weil der Platz als Über­flutungsgebiet dient. Probieren Sie es doch auch einfach mal aus. Selbst ­Kollege Laufer gibt zu, dass Nichtstun eine schöne Option wäre. Aber dann sitzt er auf seiner Kleingartenterrasse, schaut sich um – und hört sie laut rufen, die Arbeit.

Autor:in
Annette Woywode
Chefin vom Dienst für das gedruckte Magazin

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