Ein Kommentar von Dirk Ahrens (Landespastor, Diakoniechef und Hinz&Kunzt-Herausgeber)
(aus Hinz&Kunzt 262/Dezember 2014)
Julius ist fünf, und was Julius beim Hören der Weihnachtsgeschichte richtig aufregt, ist die Stelle, in der der Herbergswirt die hochschwangere Maria und ihren Mann Josef abweist, weil es angeblich keinen Raum mehr in der Herberge gibt. So landen Maria und Josef dann im Stall von Bethlehem. Julius weiß, warum er sich aufregt: Seine Mutter ist auch gerade schwanger und braucht viel Ruhe. Manchmal fühlt sie sich sogar von Julius genervt. Und Maria und Josef haben nicht mal eine Wohnung. Julius findet den Wirt unglaublich gemein und die Geburtsgeschichte im Stall überhaupt nicht schön. Er würde nie zulassen, dass seine Mutter im Stall schlafen müsste!
In der Begegnung mit Kindern wie Julius wird uns Erwachsenen bewusst, woran wir uns gewöhnt haben. Die Weihnachtsgeschichte ist uns vertraut und selbstverständlich. Wir leben damit, dass täglich vermutlich Tausende Mütter ihre Kinder in Behelfsunterkünften, auf der Straße und in Flüchtlingslagern zur Welt bringen müssen. Das ist bedauerlich, aber könnten wir das ändern?
Jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit sitzen wir beisammen, trinken Tee, essen Kekse und singen manchmal: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!“ Mit dem Herrn der Herrlichkeit ist Jesus gemeint, der Sohn, den Maria im Stall zur Welt bringt. Seinen Geburtstag feiern wir Weihnachten und laden ihn mit unseren Liedern ein, doch zu uns zu kommen. Geboren als Flüchtlingskind, als Erwachsener wohnungslos.
Auch im reichen und schönen Hamburg leben viele Menschen ohne Wohnung. Und es kommen täglich Flüchtlinge in unsere Stadt. Menschen, die aus den Kriegsgebieten erschöpft und traumatisiert ihr nacktes Leben hierher gerettet haben. Und Menschen, die den Hunger und die Aussichtslosigkeit in manchen Regionen der Welt hinter sich gelassen haben. Für sie alle braucht es Hoffnung und Platz in der Herberge.
Wenn ich sehe, wie sehr sich unsere Stadt bemüht, geeignete Unterkünfte zu finden und Wohnungen zu bauen, und wenn ich erlebe, wie sich Initiativen, Kirchengemeinden und Vereine mühen, um Wohnungslose und Flüchtlinge bei uns zu unterstützen, dann stimmt mich das hoffnungsvoll. Klar, das alles ist nicht einfach, und an vielen Stellen müssen wir noch viel besser werden. Manchmal scheitern wir auch, aber es scheint, als wollten wir den Fehler damals in Bethlehem nicht wiederholen:
Es ist noch Raum in der Herberge!
Dafür will ich mit Ihnen allen zusammen arbeiten und kämpfen. Einen kleinen Beitrag haben Sie schon dadurch geleistet, dass Sie sich eine Hinz&Kunzt gekauft haben und damit Menschen in Wohnungsnot unterstützen. Vielleicht singen auch Sie dieser Tage irgendwann das Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, dann denken Sie mit mir zusammen an die vielen, die noch Raum in der Herberge brauchen. Julius fände das super.