Moralische Stützen und Dolmetscher zwischen den Welten: Bei Streit mit Ämtern, Ratlosigkeit angesichts unübersichtlicher Formulare oder Furcht vor Behörden helfen in Hamburg die Ämterlotsen. Jetzt wird das Projekt des Diakonischen Werkes zehn Jahre alt.
Herr L. soll eingegliedert werden. Was der Langzeiterwerbslose dafür tun soll, will seine Sachbearbeiterin beim Jobcenter in einer Wiedereingliederungsvereinbarung festschreiben: Wie viele Bewerbungen er schreiben muss und dass er vielleicht einen sogenannten Ein-Euro-Job bekommt. Herr L. will das nicht unterschreiben. Er hat Angst vor den Strafen, die ihn erwarten, wenn er die Anforderungen nicht schafft. Er streitet mit seiner Sachbearbeiterin darüber, einig werden sie sich nicht.
Frau P. hat zwei Kinder aber keine eigene Wohnung. Die kleine Familie sucht dringend ein Zuhause. Aber es will nicht klappen. Die Fachstelle für Wohnungslose sollte helfen oder eine der Wohnungsgenossenschaften. Aber Frau P. schafft es nicht, den Menschen dort ihr Problem so richtig klar zu machen.
Der Konflikt zwischen Herrn L. und dem Jobcenter und Frau P.s Probleme, eine Wohnung zu finden, sind ganz alltägliche Schwierigkeiten. Viele Menschen kommen mit Ämtern und Behörden nicht gut zurecht. Das war schon immer so, hat sich aber seit der Einführung von Hartz IV noch verstärkt.
Seit zehn Jahren gibt es deswegen die Ämterlotsen in Hamburg: Ehrenamtliche, die bei Behördengängen und Anträgen helfen, die zwischen Antragstellern und Sachbearbeitern vermitteln und Menschen, die sich vom Amt schlecht behandelt fühlen, Mut machen. „Die Ämterlotsen sind moralische Unterstützer und so etwas wie Kulturdolmetscher zwischen Betroffenen und Ämtern“, erklärt Peter Ogon, Fachbereichsleiter Existenzsicherung beim Diakonischen Werk Hamburg, zu dem das Projekt Ämterlotsen gehört. Die Ehrenamtlichen seien auch bei Behörden gern gesehen. „Beide Seiten profitieren bei Streitigkeiten von der Vermittlung durch eine dritte Person.“
Schon 3000 Mal waren die Hamburger Ämterlotsen in den vergangenen zehn Jahren im Einsatz. Die zurzeit 30 Ehrenamtlichen sind zwischen 25 und 70 Jahre alt. Unter ihnen sind Studenten und Rentner, Angestellte und ehemalige Hilfeempfänger. Ihre unterschiedlichen Hintergründe eignen sich gut, um unterschiedliche Probleme anzugehen, sagt Peter Ogon: „Wer selbst einmal Hartz-IV-Empfänger war, bringt viele persönliche Erfahrungen mit. Eine Juristin hat dafür umfangreiches Fachwissen.“ Je nachdem, worum es geht, bringt die Projektleitung Betroffene und passende Ämterlotsen zusammen. Dabei gilt: Ämterlotsen unterstützen punktuell und bei einzelnen Terminen. „Wer eine längerfristige Lebensberatung braucht, wird von uns weitervermittelt“, sagt Peter Ogon.
Text: Beatrice Blank
Foto: Action Press
Wer Unterstützung bei Behördengängen oder Anträgen braucht, kann sich bei der Projektleiterin der Ämterlotsen beim Diakonischen Werk, Sabine Braun, melden; Telefon 30620366, telefonische Sprechzeiten: Mo, 14 – 16 Uhr, Mi, 11 13 Uhr, Do, 14 – 16 Uhr.