Hinz&Künztler Peter : Ein Leben auf dem Kiez

Seit 2002 verkauft Peter Hinz&Kunzt auf St. Pauli. Auf seinen Verkaufstouren immer dabei: sein Elektroroller. Doch der wurde ihm jetzt geklaut. Daraufhin sammelten Helfer Spenden für den ehemaligen Obdachlosen. Mit Erfolg.

(aus Hinz&Kunzt 241/März 2013)

Peter ist immer mit dem Elektroroller unterwegs. Auf St. Pauli kennt ihn jeder.
Peter ist immer mit dem
Elektroroller unterwegs.
Auf St. Pauli kennt ihn jeder.

Peter erkennt man schon von Weitem an seiner gebückten Haltung. Abends verkauft er Hinz&Kunzt auf dem Kiez. Immer mit dabei: sein Elektro-Scooter, auf den der 63-Jährige angewiesen ist. Anfang November, Peter hatte gerade in der Kneipe „Zum Silbersack“ Zeitungen verkauft, war sein Roller plötzlich weg – trotz Sicherung.

Eine Katastrophe für Peter, der seit einer Notoperation vor drei Jahren stark eingeschränkt ist. Damals stürzte er im heimischen Badezimmer auf das Genick. Eine Operation rettete ihm zwar das Leben, ließ jedoch Schäden zurück. Der Kopf senkte sich, Peter bekam kaum noch Luft. Schließlich musste das Genick durch eine Titanschiene stabilisiert werden. Lange Wege kann er seitdem nicht mehr zurücklegen.

Der Diebstahl sprach sich allerdings schnell herum. Die Mitarbeiter vom Schmidt Theater sammelten Spenden. Peter erfuhr davon nichts. Er war völlig überrascht, als er kurz vor Heiligabend einen nagelneuen Elektroroller überreicht bekam. Niemals habe er mit so viel Mitgefühl gerechnet, erzählt er gerührt. Im Gespräch mit Peter wird deutlich, dass er auf dem Kiez eine neue Heimat gefunden hat. Bis dahin war es ein langer Weg, denn Peter hatte jahrelang seinen Halt verloren, war richtig abgestürzt.

Dabei wuchs er in behüteten Verhältnissen in Hamburg-Horn auf. Der Vater führte einen Lebensmittelladen, die Mutter kümmerte sich um die Kinder. Nach der Schule absolvierte Peter eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, träumte vom großen Geld. Bei Beate Uhse in Stuttgart glaubte er, es verdienen zu können. Für den Sexshop-Betreiber reiste er als Vertreter durch die Republik, verdiente viel Geld: „Ich habe den Job nur wegen des Geldes angenommen.“ Doch nach sechs Wochen sollte Peter plötzlich Filialleiter werden, allerdings für deutlich geringere Bezüge. In der Zwischenzeit hatte er immerhin seine große Liebe kennengelernt. Peter blieb bei ihr in Süddeutschland. Doch der Traum vom großen Geld war geplatzt, und eines Tages verließ ihn seine Frau: „Da brach für mich eine Welt zusammen. Ich habe versucht, den ganzen Schmerz mit Drogen zu bekämpfen und bin heroinsüchtig geworden.“

1990 kehrte er zurück nach Hamburg. Anfänglich kam er bei Bekannten unter, doch bald verbrachte er die Nächte in Kellern und leerstehenden Häusern. „Das war ein Vagabundenleben auf niedrigstem Niveau“, erinnert er sich. Aber er kriegte die Kurve: Mithilfe der Ersatzdroge Polamidon schaffte er den Heroinentzug, das Sozialamt wies ihm ein Zimmer zu. Und er kam zu Hinz&Kunzt. „Ohne Hinz&Kunzt läge ich inzwischen auf dem Friedhof“, hat Peter mehr als einmal erzählt.

Sein Verkäufer-Dasein sollte sich bezahlt machen. Als seine Obdachlosenherberge auf dem Hamburger Berg vor einigen Jahren in ein Backpacker-Hotel umgewandelt wurde, durfte Peter bleiben. Stolz zitiert er seinen Vermieter: „Du bist doch ein ordentlicher Kerl. Du bist doch unser Hinz&Kunzt-Verkäufer.“

Hinz&Kunzt: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Peter: Ich würde mir wünschen, dass sie mich wieder gerade biegen. Ich würde gerne wieder ganz normal atmen können.

H&K: Wie hat dir die Februar-Ausgabe gefallen?
Peter: Das Titelbild mit Helmut Schmidt war ein echter Hingucker. Der Altkanzler hat was zu sagen, da hören und schauen die Leute hin.

Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante