Constantin (60) verkauft Hinz&Kunzt beim REWE-Center in der Dorotheenstraße.
Vor fünf Jahren war Constantins Welt noch in Ordnung. Er hatte Familie, Kinder und ein Häuschen in Focani, nordöstlich von Bukarest. Die 80.000-Einwohner-Stadt war seine Heimat. Sein Geburtsort, in dem er die Schule besuchte und später 20 Jahre lang als Steinmetz Grabsteine meißelte.
Der Ort, in dem er seine Frau kennenlernte und wo später seine fünf Kinder zur Welt kamen. Nur in seinen Jahren beim Militär unter dem Regime von Diktator Nicolae Ceaucescu hatte er als Offizier überhaupt andere Regionen in Rumänien kennengelernt. Gerne wäre Constantin in seinem Heimatort alt geworden. Wo auch sonst?
Nur mit der Arbeit lief es schon seit Jahren nicht mehr rund. Acht Jahre zuvor wurde er im Jahr 2004 als Steinmetz entlassen. Der heute 60-Jährige machte sich mit zwei Freunden selbstständig. Doch ihre Baufirma musste im Zuge der Wirtschaftskrise Ende der 2000er-Jahre Insolvenz anmelden.
Im Ausland lief es zunächst gut
Bekannte versprachen ihm Arbeit im Ausland. Constantin wagte den Schritt. In der Nähe von Rom montierte er Bühnen für große Musikfestivals. Anschließend reiste er mit einem Zirkus quer durch Europa. Er habe auch in den Jahren im Ausland versucht, seine Frau und Kinder so gut zu unterstützen, wie es nur möglich war.
Trotzdem müssen damals bereits erste Risse in der Familienidylle aufgetreten sein. Constantin hat sie offenbar ignoriert. Es war eine Mischung aus Naivität und dem Wunsch, etwas gutzumachen, die ihn vor fünf Jahren zu einem folgenschweren Fehler verleitete. Damals überschrieb er sein Wohnhaus einem seiner Söhne: seinem „Lieblingssohn“, wie Constantin beteuert. Er rechnete mit Dank. Stattdessen warf ihn der Sohn keine 48 Stunden später aus dem Haus. Die anderen Geschwister wiederum fühlten sich ungerecht behandelt. Sie waren erbost, keinen Anteil an dem Haus erhalten zu haben.
Für mich wie ein neuer Geburtstag– Constantin
Auf die Unterstützung seiner Frau konnte Constantin in dem Streit nicht mehr hoffen. Während er durch Europa tourte, hatte sie sich emotional von ihm gelöst und war mit zwei der bereits erwachsenen Kinder nach Italien ausgewandert. Erst jetzt, sagt Constantin, habe er realisiert, dass er alles verloren hatte.
Verstoßen von den Kindern, verlassen von seiner Frau und ohne Arbeit und Wohnung. Die Entscheidung, Rumänien zu verlassen, fiel ihm dieses Mal leicht. Für einen Bekannten sollte er in Hannover einen Nachtclub sanieren. 500 Euro bekam er cash auf die Hand. Mehr als 50 Stunden schuftete er pro Woche. Aber Zahlungen, sagt Constantin, blieben aus. Nach anderthalb Monaten schmiss Constantin gefrustet hin.
Kurzfristig jobbte er in Hamburg. Erneut erhielt er kaum Geld. Er war 56, als er das erste Mal auf der Straße schlief. Zweieinhalb Jahre verbrachte er draußen. Im Winter suchte er Schutz im Notprogramm der Stadt. Es ging ihm schlecht. Sehr schlecht. Hoffnung auf Besserung hatte er kaum noch.
Dann kam der 15. Oktober 2015. „Für mich wie ein neuer Geburtstag“, sagt Constantin in gebrochenem Deutsch. Der Tag, an dem er einen Hinz&Kunzt-Ausweis erhielt. Endlich konnte er wieder etwas tun und Geld verdienen. Und nicht nur das. Wenige Wochen später fand er ein winzig kleines Zimmer in Bergedorf für 150 Euro pro Monat.
Inzwischen legt er sogar jeden Monat Geld zurück. Das ist dringend notwendig. Ein Auge ist vom grauen Star befallen. Eine Operation unausweichlich. Doch der 60-Jährige ist zuversichtlich. So viele Hürden habe er in den vergangenen Jahren übersprungen, da würde er ja wohl auch diese meistern, sagt er und lacht.