Jazztrio : Ecken, Kanten und viel Herz

Die Musiker vom Tingvall Trio spielen Jazz – auch für Leute, denen das Genre sonst zu anstrengend ist. Nebenbei unterstützen sie Hinz&Kunzt.

(aus Hinz&Kunzt 244/Juni 2013)

Trio aus drei musikalischen Welten (von links): Drummer Jürgen Spiegel stammt aus Deutschland, Bassist Omar Rodriguez Calvo aus Kuba und Pianist und Bandchef Martin Tingvall aus Schweden.
Trio aus drei musikalischen Welten (von links): Drummer Jürgen Spiegel stammt aus Deutschland, Bassist Omar Rodriguez Calvo aus Kuba und Pianist und Bandchef Martin Tingvall aus Schweden.

Sie haben schon für Schüler in Kenia gespendet. Und jugendliche Kriegsflüchtlinge unterstützt. Mit ihrem neuen Album „Tingvall Trio – In Concert“ macht sich das Jazztrio um den schwedischen Komponisten und Pianisten Martin Tingvall nun für Hinz&Kunzt stark. Ein Teil der Albumerlöse geht als Spende an das Straßenzeitungsprojekt. Wie es dazu kam? „Wir waren auf Tour in Österreich. Ich stand unten vor unserem schicken Hotel, da kam ein Obdachloser vorbei, wir unterhielten uns“, sagt Martin Tingvall, als wir das Trio im Schanzenviertel treffen. „Mir ging es extrem gut in dieser Zeit. Als der Mann wegging, hatte ich die Idee: Warte, wäre es nicht eine schöne Idee, etwas für Hinz&Kunzt zu machen?“

Verbindungen gab es schon früher: „Hafen im Blut“, gesungen von Anna Depenbusch und Aino Löwenmark auf der Benefiz-CD „KunztStücke“ stammt aus Tingvalls Feder. Der Mann ist umtriebig. Er schrieb etwa Udo Lindenberg die ­Stücke „Der Astronaut muss weiter“ und „Wenn Du durchhängst“ auf den Leib. Vor 14 Jahren kam der gebürtige Schwede nach Hamburg. 2003 gründete er das nach ihm ­benannte Tingvall Trio, gemeinsam mit dem kubanischen Bassisten Omar Rodriguez Calvo (früher Orange Blue) und dem deutschen Drummer Jürgen Spiegel. Martin Tingvall: „Wir sind alle in einer ganz anderen musikalischen Welt aufgewachsen. Das macht unseren Sound exotischer, er hat ein bisschen mehr Ecken und Kanten.“

Trotz Ecken und Kanten: Pop ist für das Tingvall Trio kein Schimpfwort und „anstrengend“ keine Auszeichnung für ein gutes Jazzstück. Die Musiker öffnen das oft als sperrig geltende Genre auch jenen Menschen, die nicht von vollbärtigen Professoren in dunklen Kellerkneipen großgezogen wurden. Dafür heimsen sie regelmäßig Preise ein, unter anderem den Echo als bester Live Act 2012. Jürgen Spiegel sagt: „Das ist ja das Schöne an akustischer Musik: Wir schneiden und faken nichts, das ist die Wahrheit.“ Und Omar Rodriguez Calvo ergänzt: „Genau das ist Jazz, das ist live, da gibt es keine zweite Chance, es ist ähnlich wie bei einem Fußballspiel.“

Dass die Musiker vollen Einsatz geben, hört man auf „Tingvall Trio – In Concert“. Das Album wurde bei der letzten Tour in Bad Wörishofen und Innsbruck mitgeschnitten. Das Trio ist viel unterwegs: Durch Europa und bis nach Asien sind sie schon gereist. Umso mehr genießen sie die freie Zeit zu Hause. Um auszuspannen. Oder zu trainieren, wie Drummer Jürgen.

Auch da kommt Hinz&Kunzt wieder ins Spiel: „Vor meinem Sportstudio in Winterhude steht immer ein Verkäufer mit seinem Husky“, erzählt Jürgen. „Nachdem wir uns öfter unterhalten haben, stellten wir fest, dass wir beide Angler sind. Irgendwann habe ich ihm meine alte Ausrüstung mitgebracht.“ Hinz&Künztler Gerrit bestätigt uns, dass er damit schon einige Fische an Land gezogen hat. Nur dass sein Stammkunde ein berühmter Jazzmusiker ist, hat ihn dann doch überrascht. Angegeben hat der damit nämlich nicht.

Text: Simone Deckner
Foto: Dmitrij Leltschuk