Das Bundesverfassungsgericht prüft seit heute, ob Sanktionen der Jobcenter gegen Arbeitslose rechtens sind. Eine Onlinebefragung zeigt, dass diese Maßnahmen sogar zum Verlust der Wohnung führen können.
Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, Hartz-IV-Empfängern das Existenzminimum zu kürzen, wenn sie gegen Regeln verstoßen? Diese Frage beschäftigt seit Dienstag, den 15. Januar das Bundesverfassungsgericht, denn das Sozialgericht Gotha hat grundlegende Zweifel an den Sanktionen und sie Karlsruhe zur Prüfung vorgelegt.
Wenn es um Harald Thomé vom Erwerbslosen- und Sozialverein Tacheles geht, gehören die Sanktionen verboten. „Sie entziehen den Betroffenen ihre Existenzgrundlage, was drastische Folgen hat: Obdachlosigkeit oder die Bedrohung durch Obdachlosigkeit, Stromsperren, Schulden oder und oft auch den Verlust der Krankenversicherung“, sagt er.
Thomé nimmt als Sachverständiger an der Verhandlung teil und hat im Dezember auf der Homepage von Tacheles eine Umfrage über die Erfahrungen mit Hartz-IV-Sanktionen durchgeführt. Mehr als 21.000 Menschen äußerten sich bundesweit im Internet zu den Folgen und Wirkungen von Sanktionen.
Dass mehr als 80 Prozent der Antwortenden Sanktionen nicht für ein geeignetes Mittel halten, überrascht wenig. Schließlich nahmen überwiegend Betroffene an der Befragung der Sozialeinrichtung teil. Beantwortet haben den Fragebogen auch Jobcenter-Mitarbeiter, wenn auch nur 1362 der bundesweit rund 98.000 Beschäftigten bei der Bundesagentur für Arbeit. Eine eigene Befragung Mitarbeiter gab es nicht, teilt das Jobcenter in Hamburg mit. Erschreckendes Ergebnis der Umfrage des Sozialhilfevereins Tacheles: Fast jeder fünfte Berater (18,4 Prozent) erlebte bereits, dass verhängte Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger zum Verlust der Wohnung führten.
Schaden Sanktionen der Selbsthilfe mehr als sie nützen?
Ein Grund für den Wohnungsverlust, ist offenbar, dass die Hilfeempfänger durch die Sanktionen in finanzielle Nöte geraten. 19,5 Prozent der Jobcenter-Mitarbeiter haben laut Umfrage bereits erlebt, dass Sanktionen der Anfang einer weiteren Verschuldungsspirale waren. Auch wenn Ganz offensichtlich hegen Mitarbeiter selber Zweifel an den Sanktionen. So ist beispielsweise etwa jeder dritte Jobcenter-Mitarbeiter (37,5 Prozent) der Auffassung, dass die Kürzungen im Endeffekt die Kinder oder Partner des Hilfeempfängers treffen. Rund 70 Prozent der Mitarbeiter halten Sanktionen trotzdem für weitgehend richtig. Im Umkehrschluss führt dies aber zu dem Ergebnis, dass 30,9 Prozent der Jobcenter-Mitarbeiter folgender Aussage zustimmen: „Sanktionen schaden der Selbsthilfe mehr als sie nützen.“