Elbphilharmonie für alle: Mit Dr. Sound und dem gemeinen Klangschlurg lernen Kinder in Jenfeld, Stellingen oder Mümmelmannsberg, klassische Musik zu lieben. Am Samstag spielt Dr. Sound mit den Hamburger Symphonikern in der Laeiszhalle.
Leo war gleich aus dem Häuschen. Hat gejubelt, als ihm seine Mutter erzählte, dass es bei ihnen in Jenfeld mal wieder ein Konzert mit Dr. Sound gebe, eine Konzertreihe der Elbphilharmonie. „Ich bin ja nicht so ein Freund der Elbphilharmonie“, sagt Leos Mutter und verschränkt kurz die Arme. Na ja, wegen der hohen Kosten und weil sie hier in Jenfeld überall am Sparen seien. „Aber das, was die hier machen, das finde ich echt gut.“ Ihre Freundin nickt zustimmend: Die beiden Mütter hätten nie gedacht, dass ihre zehn- und elfjährigen Kinder den Klängen von Wolfgang Amadeus Mozart lauschen würden. Freiwillig! „Wir müssen nur erzählen, dass Dr. Sound kommt – und der Samstagnachmittag ist gerettet.“
Noch sind die Vorhänge zum Saal des Jenfeld-Hauses zugezogen. Gleich aber wird alles in den Saal strömen. Klassische Musik wird ertönen. Und Dr. Sound wird mit einem riesigen Staubsauger unter dem Arm auf die Bühne schlendern und das Konzert unterbrechen. Er ist auch diesmal in großer Sorge! Ist richtig panisch. Die Internationale Klang- und Geräuschemafia will doch alle Töne und Klänge unserer Welt mit Hilfe des gemeinen Klangschlurgs aufsaugen. Wie gut, dass Dr. Sound diese Maschine klauen konnte. Nun will er seinerseits die Klänge und Töne in Sicherheit bringen. Und dabei müssen ihm die Kinder helfen, in dem sie Geräusche erraten, die andere Kinder vorher gesammelt haben.
Ortswechsel. Und Zeitsprung. Es schüttet wie aus Eimern, doch die Schüler der 4c der Louise-Schröder-Schule aus Altona stört das kaum. Sie absolvieren eine Klangsafari und fangen mit ihren Aufnahmegeräten Töne ein. Solche, die man hört, wenn wo gearbeitet wird. Bei dem türkischen Schlachter etwa, der mit breitem Grinsen seine Ladenkasse immer wieder auf- und zumacht, damit das helle Klingeln der Lade nicht verlorengeht. Sein Kollege angelt ein Stück Fleisch aus einer Schale, hebt es hoch und lässt es auf ein Holzbrett fallen: „Das Plumpsen von Fleisch“, notiert ein Schüler auf seinem Block; kontrolliert, ob sein Aufnahmegerät auch wirklich funktioniert hat. Die Altonaer Schüler sind nicht die einzigen, die so unterwegs sind. Auf Klangsafari sind auch Schüler aus Wilhelmsburg, aus Mümmelmannsberg und Stellingen sowie eben aus Jenfeld – für die Konzerte in all diesen Stadtteilen.
Verantwortlich für das Projekt ist Christoph Becher von Elbphilharmonie Kompass, dem Vermittlungsprogramm der Laeiszhalle und der Elbphilharmonie. Sein Dr.-Sound-Projekt soll auch die Schüler erreichen, die bisher nicht mit klassischer Musik in Berührung gekommen sind: „Und dazu müssen wir in den Elternhäusern punkten. Die Eltern müssen sagen: ‚Das ist gut, da gehen wir hin.‘ Nur so bleiben uns die Schüler auch dann erhalten, wenn sie nach einem halben Jahr nicht mehr Musikunterricht haben, sondern Kunst oder Theater.“ Und deswegen ist nun schon im vierten Jahr der Klangforscher Dr. Sound unterwegs.
So spielerisch das Ganze wirkt, bei der Konzertreihe in fünf Stadtteilen mit begleitendem Unterricht ist ein ganzer Tross von Profis unterwegs: das Orchester, der Tonmeister, dann der Moderator und der Darsteller des Dr. Sound, beide ausgebildete Schauspieler. Angeleitet wird das Projekt wiederum von Musikpädagogen der Elbphilharmonie. Eine von ihnen ist die Studentin Lea Heinrich. Sie erarbeitet mit den Schülern aus den eingesammelten Klängen kleine Soundcollagen – die später auf der Bühne von den Schülern vorgespielt werden und genauso wichtig sind wie die Stücke von Haydn und Schostakowitsch, die das Orchester spielt. „Die Schüler lernen, was alles zu einem Konzert gehört“, erzählt sie. „Sie haben Proben, sie lernen die Musiker kennen, sie sehen Instrumente, die sie vielleicht noch gar nicht kannten. Es ist ihr Projekt; nicht, dass sie da einmal hingehen und das war es dann.“
Sie hat die Klasse in Altona und die in Jenfeld betreut und schnell die Unterschiede bemerkt: „In Altona spielen viele Kinder ein Instrument. In Jenfeld gibt es nur einen Schüler, der Klavierunterricht hat. Die Schüler dort sind wahnsinnig interessiert – vielleicht weil für sie Musik nicht etwas so Selbstverständliches ist. Für die Altonaer ist es auch toll, aber es ist eben ein weiteres Projekt.“
Zurück auf der Bühne in Jenfeld. Der Vorhang geht auf. Auftritt des Moderators: „Wenn uns nur dieser Dr. Sound nicht wieder alles durcheinanderbringt!“ Die Kinder grölen. Sie haben längst entdeckt, dass der von links langsam herangeschlappt kommt, mit seinem ulkigen Hut und der doofen Brille, in seinen langen Mantel gehüllt. Es wird ein Riesenspaß. Und der soll nicht so schnell aufhören, das Team um Christoph Becher hätte noch viele Ideen. Dr. Sound soll es weiter geben – auch dann, wenn die Elbphilharmonie eines Tages steht.
Text: Frank Keil
Foto: Hannah Schuh
Abschlusskonzert in der Laeiszhalle: Samstag, 16.6.,
15.30 Uhr, Großer Saal. Eintritt: Einzelkarte 4 Euro.
Es spielen neben anderen die Hamburger Symphoniker.