Keine Mails ans Jobcenter
Digitalisierung erschwert vielen Menschen den Zugang

Das Jobcenter in der Kleinen Reichenstraße ist zuständig für Wohnungslose. Foto: Benjamin Buchholz

Das Hamburger Jobcenter ist ab November nicht mehr per E-Mail erreichbar. Stattdessen soll es nur noch das digitale Portal geben, in dem Anträge und Anfragen hochgeladen werden müssen. Warum Sozialarbeitende das kritisieren.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Anträge und Dokumente per E-Mail an das Hamburger Jobcenter zu schicken, ist bald nicht mehr möglich. Hilfeempfänger:innen benötigen dann einen Account beim Online-Portal „jobcenter.digital“. Hinz&Kunzt-Sozialarbeiterin Irina Mortoiu kritisiert das: „Arme und wenig gebildete Menschen können diesen Zugang meistens nicht nutzen“, sagt sie. Oft würden ihnen Endgeräte oder digitale Fähigkeiten fehlen. Und Hinz&Kunzt könne nicht für alle Menschen einen Account erstellen und im Blick behalten. „Die Kapazitäten haben wir nicht“, sagt Mortoiu. Bislang haben die Sozialarbeiter:innen von Hinz&Kunzt oft von ihrem E-Mail-Konto Anträge im Namen von Hilfesuchenden verschickt und Antworten vom Amt so auf ihren Schreibtisch bekommen. 

Sozialarbeiterin fordert einfache Zugänge

Schon jetzt sei es schwer, das Jobcenter zu erreichen. Telefonisch könne man nicht bei allen Standorten anrufen. Und wenn das möglich sei, so wie in Hamburg Mitte, könnten Hilfesuchende nicht mit Sachbearbeitenden selbst sprechen, sondern nur mit Mitarbeitenden des Eingangsbereichs. Dabei sei es gerade für Migrant:innen leichter, deutsch zu sprechen als zu schreiben, sagt Mortoiu. „Direkte Telefonzugänge zu Sachbearbeitenden sind dringend notwendig. Auch die Möglichkeit telefonisch oder vor Ort Termine zu vereinbaren ist für unsere Zielgruppe sehr wichtig“, sagt sie. Stattdessen werde aber auf das „jobcenter.digital“ verwiesen. 

Das Jobcenter sieht das Online-Portal als „Erleichterung“. Viele Menschen würden damit Zeit, Wege und Porto sparen, sagt eine Sprecherin auf Anfrage von Hinz&Kunzt. Dank des Portals bekämen Kund:innen jederzeit einen Nachweis über die eingereichten Unterlagen. Für Menschen ohne Internetzugang habe das Jobcenter Ende 2023 das Angebot „Café digital“ am Glockengießerwall eröffnet und kürzlich um einen zweiten Standort in Harburg erweitert. Laut Mortoiu hat bislang niemand aus ihrer Beratung das „Café digital“ genutzt. „Es bleibt zu kompliziert. Die Menschen bräuchten ständig Hilfe, wenn sie das ‘jobcenter.digital’ nutzen müssen“, sagt Mortoiu.  

 Post an Hamburger Jobcenter wird nach Berlin gefahren

Es gebe weiterhin die Möglichkeit, Anträge in den Briefkasten zu werfen, sagt die Sprecherin des Jobcenters. Die Post werde an die Zentrale der Agentur für Arbeit geliefert, von da in Lastwägen nach Berlin gebracht und dort eingescannt. Dadurch komme es zu Verzögerungen, die bei „jobcenter.digital“ wegfielen. Dass beim Scannen vereinzelt Unterlagen verloren gingen, könne man nicht ausschließen, so die Sprecherin. Hinz&Kunzt-Sozialarbeiterin Mortoiu kennt das Problem: Häufig kommen Unterlagen beim Jobcenter nicht an, obwohl sie in den Briefkasten des Amtes vor der Tür geworfen wurden. 

Autor:in
Luca Wiggers
Luca Wiggers
1999 in Hannover geboren, hat dort Germanistik und Anglistik studiert und ist Anfang 2022 nach Hamburg gezogen. Seit Juni 2023 Volontärin bei Hinz&Kunzt.

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