(aus Hinz&Kunzt 188/Oktober 2008, Das Modeheft)
Nach Schätzungen von Greenpeace tragen inzwischen fünf Prozent der Textilien in Deutschland ein Öko-Label, Tendenz steigend. Doch die Liste der Siegel und Zertifikate für umwelt- und gesundheitsschonend produzierte Bekleidung ist ebenso lang wie unübersichtlich. Bei einer groben Zählung kommt man auf knapp 20 Prädikate, die im Zweifel eher zur Verwirrung des Käufers beitragen. Das jüngste und wichtigste Qualitätssiegel ist der „Global Organic Textile Standard“, der nicht nur die ökologischen Qualitäten, sondern auch die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung miteinbezieht.
Europäisches Umweltzeichen
(„EU-Blume“)
www.eco-label.com/german
Kriterien: Mit der „EU-Blume“ werden Textilien gekennzeichnet, die vom Anbau bis zum Verrotten auf der Mülldeponie eine vergleichbar geringe Umweltbelastung aufweisen. Dabei sind schwermetallhaltige Farbstoffe ebenso verboten wie gesundheitsschädliche Flammschutzmittel. Für Formaldehyd und andere Stoffe gibt es (nicht allzu strenge) Grenzwerte. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf wassersparendem Anbau und Produktion. Das Vergabeverfahren ist gut dokumentiert und transparent und wird von unterschiedlichen, unabhängigen Gruppen überwacht.
Vergabe: Umweltbundesamt und Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung, in Rücksprache mit der EU-Kommission.
Bewertung: Die „EU-Blume“ sollte von Kunden als Standard auch von großen Markenartiklern verlangt werden können. Ein Kompromiss zwischen den Bedingungen einer Massenproduktion und dem Umweltschutz. Arbeitsbedingungen von Bauern und Textilarbeitern werden nicht erfasst.
Global Organic Textile Standard
Kriterien: Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist das erste Gütesiegel, das ökologische und soziale Aspekte vereint. Bei der Entwicklung waren Verbände aus Deutschland, den USA, Japan und England beteiligt. Für dieses Gütezeichen reicht es nicht, etwa Biobaumwolle zu verwenden, die Arbeitsbedingungen müssen ebenfalls den Mindestanforderungen genügen, die die International Labor Organization (ILO) festgelegt hat. Der komplette Weg eines Kleidungsstücks, von der Ernte des Materials bis zum Verkauf des fertigen Teils, wird erfasst.
Vergabe: Die internationale Arbeitsgruppe hat sieben Zertifizierungsstellen benannt, bei denen sich interessierte Firmen und Hersteller um das Siegel bewerben können.
Bewertung: In einer perfekten Welt würde dieses Siegel in jedem neuen Kleidungsstück kleben. In einer perfekten Welt würde das Siegel allerdings auch nicht aussehen wie das Logo einer Reinigungsfirma aus Rheinland-Pfalz.
MADE-BY
Kriterien: MADE-BY ist eine niederländische Organisa-tion, die Modeunternehmen auf dem Weg zu nachhaltigerer Produktion unterstützen will. Dabei wird die gesamte Geschichte eines Kleidungsstückes berücksichtigt – von der Herstellung bis zum Verkauf. MADE-BY pflegt Partnerschaften mit Biobaumwoll-Projekten in Indien,
Peru, der Türkei und China und arbeitet mit Initiativen wie Fair Wear zusammen. Das Gütesiegel ist weniger eine Art ökosozialer TÜV-Plakette als eine Selbstverpflichtung der Unternehmen, die mit MADE-BY arbeiten.
Vergabe: Durch MADE-BY und die Partner-Initiativen.
Bewertung: Marken wie Edun oder Kuyichi haben sich zu den MADY-BY-Grundsätzen bekannt. Ein wichtiger Schritt von den sehr, sehr strengen rein ökologisch begründeten Siegeln zu ganzheitlich orientierter Unternehmensverantwortung. Die beteiligten Unternehmen stehen zusätzlich für anspruchsvolles Fashion-Design.
Öko-Tex Standard 100,
Öko-Tex Standard 1000, Öko-Tex Standard 100plus
Kriterien: Der Öko-Tex Standard 100 prüft die Schadstoffe am Endprodukt auf die Einhaltung von Grenzwerten, etwa für Formaldehyd, Schwermetalle, Pestizidrückstände und für chlororganische Verbindungen. Der Öko-Tex Standard 1000 orientiert sich an der Umweltfreundlichkeit der Betriebsstätte sowie der Produktionsabläufe, dabei insbesondere dem Energieverbrauch und der Abwasserentsorgung.
Der Öko-Tex Standard 100plus kombiniert die Prädikate Öko-Tex Standard 100 und Öko-Tex Standard 1000 und zeichnet Produkte aus, die sowohl schadstoffgeprüft als auch umweltverträglich produziert sind.
Vergabe: Internationale Gemeinschaft für Forschung und Prüfung auf dem Gebiet der Textilökologie (Öko-Tex). Die Gemeinschaft besteht aus zwölf Textilinstituten aus zwölf Ländern.
Bewertung: Die Bedingungen reichen weniger weit als die Standards von Naturtextil. Gute Kontrollmechanismen.
PUREWEAR
Kriterien: Das PUREWEAR-Zeichen des Versandhausgiganten Otto kennzeichnet Textilien, die schadstoffgeprüft und umweltfreundlich hergestellt sind, mit Grenzwerten für Formaldehyd, Schwermetalle, Pestizide und chlororganische Zusätze. Verzicht auf PVC. Die verwendete Biobaumwolle muss nach EU-Richtlinien zertifiziert sein.
Vergabe: Ein Gütesiegel von Otto, das von unabhängigen Prüforganisationen überwacht wird.
Bewertung: Lobenswerter Ansatz eines großen deutschen Unternehmens. Soziale Standards für die Arbeitsbedingungen bleiben leider unberücksichtigt.
Naturtextil
Kriterien: Das Qualitätszeichen „Naturtextil“ kennzeichnet Textilien, die vollständig aus Naturstoffen bestehen. Es wird in zwei Auszeichnungsstufen (Better und Best) vergeben. Verbindung von umweltschonender Produktion und sozialen Mindeststandards für die beteiligten Arbeiter.
Die Fasern müssen aus zertifiziertem ökologischen Anbau stammen, die Garne, Futter und Knöpfe aus Naturfasern oder Recycling-Material. Verzicht auf Chloride, Formaldehyd oder Ähnliches bei der Weiterverarbeitung. Strenge und unabhängige Überprüfung, auch ohne Anmeldung. Die Hersteller müssen über sämtliche verwendeten Hilfsstoffe Auskunft geben.
Vergabe: Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. (IVN)
Bewertung: Strenge Kriterien. Eher für Nischen-Anbieter, Probleme bei der Massenproduktion. Soll in den „Global Organic Textile Standard“ aufgehen, den der IVN mitentwickelt hat.
Fairtrade
Kriterien: Unter dem Dachverband der „Fairtrade Labelling Organizations Internationel“ (FLO) haben sich 20 Initiativen aus Europa, Australien, Asien und Nord- und Südamerika zusammengeschlossen. Sie vergeben das Fairtrade-Siegel nach den FLO-Kriterien: Den Produzenten werden faire Löhne garantiert. Dazu bekommen sie eine Prämie, die sie gemeinschaftlich in die Verbesserung der Lebenssituation investieren müssen. Das Fairtrade-Siegel für „Certified Cotton“ wird unter den gleichen Bedingungen speziell für Textilien vergeben. Dass die Kriterien eingehalten werden, stellt die unabhängige Lizensierungseinheit „FLO-Cert“ mit Sitz in Bonn fest.
Vergabe: Durch die 20 Mitgliedsinitiativen, in Deutschland durch TransFair e.V.
Bewertung: Bislang gibt es kaum Baumwoll-Textilien mit dem Fairtrade-Siegel. Fairtrade heißt nicht zwingend auch öko. Bei Baumwolle geht es dem fairen Handel zunächst um das finanzielle Wohl der Bauern, der Umweltschutz kommt erst danach. Es ist wünschenswert, dass künftig vermehrt zweigleisig gefahren wird und die Textilien dann doppelt gut sind: also bio und fair.