Der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Asklepios Klinik Nord, Matthias Nagel, beklagt die mangelnde Versorgung psychisch Kranker auf Hamburgs Straßen. Die Lage spitze sich immer weiter zu.
Immer wieder müssen psychisch kranke Obdachlose in Hamburg aus der Psychiatrie zurück auf die Straße geschickt werden. Das beklagt Matthias Nagel, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Asklepios Klinik Nord in Wandsbek in der Novemberausgabe von Hinz&Kunzt. „Die Situation in Hamburg ist dramatisch. Es fehlen geeignete Einrichtungen für psychisch kranke Menschen zur Verhinderung von Obdachlosigkeit“, kritisiert der Psychiater und ergänzt: „Wir brauchen geeignete Einrichtungen der Eingliederungshilfe, also Wohnplätze und betreutes Wohnen in WGs. Und wir brauchen geschlossene beziehungsweise hochstrukturierte Formen der Unterbringung, in denen die Patienten intensiv betreut werden können.“
In der November-Ausgabe
Weil eben solche Einrichtung in Hamburg fehlen, seien Ärzt*innen dazu gezwungen, Patient*innen in die Obdachlosigkeit zu entlassen, die von Richter*innen in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden. Deshalb bleibe keine andere Möglichkeit, „als die richterlichen Beschlüsse aufheben zu lassen und die Menschen zurück in die Obdachlosigkeit zu schicken“, sagt Nagel.
Des Weiteren beklagt der Chefarzt in dem Interview, dass immer mehr Menschen unter Zwang in die Klinik kämen. „Wir erleben in Hamburg eine Psychiatrie der 50er-Jahre. Das heißt: immer mehr Menschen kommen unter Zwang zu uns. Dabei wollen wir das nicht. Wir wollen eine offene Form der Psychiatrie“, so Nagel. Doch wegen mangelnder Kapazitäten sei das nicht möglich. „Die Lage in Hamburg spitzt sich so immer weiter zu.“
„Wir erleben in Hamburg eine Psychiatrie der 50er-Jahre.“
Mehr Einzelunterbringungen und eine bessere medizinische Versorgung für psychisch kranke Obdachlose, wie es von der Hamburger Regierungskoalition noch in der vergangenen Legislatur auf den Weg gebracht und im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, sieht Nagel zumindest als ersten richtigen Schritt um die Situation zu verbessern. „Wir brauchen dringend mehr außerklinische Unterstützung für schwer psychisch kranke Menschen, also Menschen mit Psychosen, Demenz, auch für traumatisierte Flüchtlinge“, sagt der Psychiater. „Insbesondere aufsuchende Hilfen müssen verstärkt angeboten werden, damit die Menschen ihre Wohnungen nicht erst verlieren.“