Ausstellung :
Die Hoffnungsreisenden

Aus der Provinz in die Metropolen, aus Bulgarien, Moldawien und Rumänien nach Deutschland, Italien oder England: Wanderarbeiter verlassen ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben. Das Museum der Arbeit zeigt ab Freitag Fotografien dieser neuen Arbeiterklasse.

 

Rushti Yazar ist 20. Seine Haare sind gegelt, das Gesicht frisch rasiert, er trägt ein lilafarbenes Shirt und sieht so aus, als stünde er vor seinem ersten Rendezvous. Yazar fährt ins Ungewisse. Keiner hat ihn bestellt. Verwandte in Frankfurt sagten, es werde sich schon etwas ergeben, er solle kommen. Also sitzt Rushti jetzt in einem VW-Transporter, der ihn und andere Männer aus seinem Heimatdorf in Bulgarien nach Deutschland bringen soll. „In Deutschland liegt das Geld doch auf der Straße, wir müssen es nur aufsammeln“, sagt Rushti. Er fragt seinen Sitznachbarn, wie es nun wirklich sei bei den Deutschen. Sinan lebt seit vier Jahren in Deutschland und kommt gerade von einem Kurzbesuch bei seiner Familie. Für die Fahrt hat er sich nicht so fein gemacht wie Yazar, er trägt T-Shirt und Jogginghose, für die Träume des Neuen hat er ein mildes Lächeln übrig …

Bildergalerie: Wanderarbeiter. Fotografien einer neuen Arbeiterklasse


  • Rushti Yazar im VW-Bus auf dem Weg von Russe in Bulgarien nach Deutschland. Foto: Mauricio Bustamante.

  • Müllrecyclerin XU Fang. Foto: Wolfgang Müller.

  • Cargonaut (ein Leiharbeiter zur See) in Bremerhaven. Foto: Oliver Tjaden.

  • Yazar und Kemal träumen von einem besseren Leben in Deutschland. Foto: Mauricio Bustamante

  • Trost per Telefon. Carolina lebt in Moldawien. Ihre Mutter arbeitet in Italien als Altenpflegerin. Foto: Andrea Diefenbach

  • Bahnhof Istanbul, 1965: Abfahrt der ersten türkischen Gastarbeiter Richtung Ruhrgebiet. Foto: Hans Rudolf Utthoff

Wanderarbeiter. Keiner kennt ihre genaue Zahl – alleine in China geht man von bis zu 200 Millionen Menschen aus, die auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Metropolen Shanghai, Hongkong oder Shenzhen ziehen. Aber auch in anderen Ländern verlassen Menschen ihre Heimat für Monate oder Jahre, um in der Fremde Geld zu verdienen oder auch der heimischen Enge und Perspektivlosigkeit zu entfliehen. Das Museum der Arbeit widmet diesem Phänomen ab November eine Ausstellung.

Neun Fotografen zeigen dann ihre Arbeiten zum Thema. Von Abbildungen der so genannten Gastarbeiter im Deutschland der 1960er-Jahre bis zu aktuellen Aufnahmen von osteuropäischen Arbeitern in Hamburg. Geographisch geht die Reise von China über Thailand nach Moldawien und Deutschland.

Hinz&Kunzt-Leser werden das ein oder andere Bild wieder erkennen: Hinz&Kunzt-Fotograf Mauricio Bustamante ist dabei mit Fotos seiner Reisen nach Polen und Bulgarien und aus Hamburg. Von Andrea Diefenbach gibt es berührende Aufnahmen von Kindern, deren Eltern ihr Glück im Ausland suchen und sie zurückließen und die auch schon in Hinz&Kunzt erschienen. BEB

Die Ausstellung „Wanderarbeiter. Fotografien einer neuen Arbeiterklasse“ läuft vom 15.11.13 bis 2.3.14 im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, Mo, 13–21 Uhr, Di–Sa, 10–17 Uhr, So, 10–18 Uhr, 6/4 Euro. Am Montag, 9. Dezember, 19 Uhr, hält Hinz&Kunzt-Chefredakteurin einen Vortrag mit dem Titel „Gelobtes Land – Osteuropäische Wanderarbeiter in Hamburg“.

Die Fotografen und ihre Arbeiten:
– Mauricio Bustamante: „Wanderer zwischen den Welten“, Rumänische und bulgarische Arbeiter in Hamburg, 2012/2013
– Henning Christoph: „Türken im Ruhrgebiet“, 1977 – 1984
– Andrea Diefenbach: „Land ohne Eltern“, Arbeitsmigranten aus Moldawien, 2007 – 2009
– Brigitte Kraemer: „Migranten im Ruhrgebiet“, 1985/1986
– Ingar Krauss: „Wanderarbeiter“, Osteuropäische Spargelstecher in Brandenburg, 2007
– Wolfgang Müller: „Mingong“, Wanderarbeiter in China, 2005 – 2011
– Oliver Tjaden: „Cargonauten“, Wanderarbeiter zur See, 2008
– Ralf Tooten: „Asian Workers Covered“, Wanderarbeiter auf thailändischen Baustellen 2006 – 2008
– Hans Rudolf Uthoff: „Zugreise Istanbul-Dortmund“, Gastarbeiter im Ruhrgebiet, 1964