Interview zum sozialen Kunstprojekt "Heroes"

„Die Guten müssen den Mund aufmachen!“

Michael Strogies in seinem Atelier in Hannover. Foto: Lena-Maja Wöhler

Tue Gutes – und werde gemalt: Der Hannoveraner Künstler Michael Strogies versteigert seine Porträts sozial engagierter Hamburger:innen zugunsten von Hinz&Kunzt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Hinz&Kunzt: Was hat Sie auf die Idee gebracht, sozial engagierte Menschen zu malen und ihnen so eine Bühnezu geben?

Michael Strogies: Die Idee kam in den ersten Coronamonaten, als viele klatschend auf dem Balkon standen für die Mitarbeitenden in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Jeder ahnte: Dieser Hype ist in zwei, drei Monaten wieder vorbei. Da habe ich mich gefragt, wer in meinem Umfeld es verdient hätte, mal anders gewürdigt zu werden. Das wurde peu à peu zum Pilotprojekt in meiner aktuellen Heimat Hannover, gemeinsam mit dem dortigen Straßenmagazin „Asphalt“, und kam hervorragend an. Jetzt ist Hamburg dran.

Ihre Projektreihe heißt „Heroes in town“ – wen zeigen Sie?

Wir suchen vor allem die unbekannten, stillen Helden – wie etwa jene Frau in Hannover, die abends bei Rewe das nicht verwertete Essen abholt und an Obdachlose verteilt. Aber gerade unter jenen, die Gutes tun, gibt es viele, die eher scheu sind und gar nicht präsentiert werden wollen. Das möchte ich ändern. Es kann doch nicht sein, dass gefühlt immer nur die ganzen Blödmänner öffentlich in Erscheinung treten – die Guten müssen auch mal den Mund aufmachen!

Heroes – Ausstellung und Auktion

Ausstellung vom 25.5. bis 3.6. im Krohnstieg Center Langenhorn, Krohnstieg 41–43, 9.30–19 Uhr, Eintritt frei, Auktion: 3. Juni, Mitbieten auch hier

Kennen Sie als Künstler das Gefühl, auf Hilfe und Unterstützung angewiesen zu sein?

Vor vielen Jahren bin ich selbst pleitegegangen – ich weiß, wie schnell man dann in die Obdachlosigkeit rutschen kann. Nur hatte ich Glück in Gestalt eines guten Menschen, der mir damals entscheidend geholfen hat. Da möchte ich deshalb gerne etwas zurückgeben.

Wie genau arbeiten Sie?

Jede:r Teilnehmende schickt mir ein Porträtfoto, das er oder sie mag – nach dieser Vorlage male ich ein Bild, meist im Format 80 mal 60 Zentimeter. Zusätzlich gibt es davon auch digitale Originale, sogenannte NFTs. Und dann darf jede:r eine weitere Person nominieren, die er oder sie für würdig hält, die male ich dann auch. Am Ende mündet alles in einer Versteigerung, in Hamburg zugunsten von Hinz&Kunzt. Ab dem 25. Mai stellen wir im Krohnstieg Center in Langenhorn aus.

Sind auch Prominente dabei?

Wenn sie von jemandem nominiert werden und sich durch soziales Engagement auszeichnen: ja. In Hannover etwa haben Bettina Wulff und Annalena Baerbock mitgemacht. Die Außenministerin hat später sogar zu verstehen gegeben, wie cool sie diese Aktion findet.

Wen haben Sie für Hamburg gemalt?

Ich werde bis direkt vor Ausstellungsbeginn malen und kann noch nicht viel verraten. Es wird aber eine bunte Mischung sein – neben vielen Menschen aus dem sozialen Bereich sind einige bekannte Moderator:innen vom NDR dabei, ein Schlagersänger und die DSDS-Gewinnerin Marie Wegener.

Worin besteht für Sie der künstlerische Reiz?

Ich bin gelernter Trickfilmer, deswegen bin ich sehr schnell: Für ein Bild brauche ich etwa eine Stunde. Beim Malen bin ich dann gerne Rock ’n’ Roll und ein bisschen rotzig, eher Joe Cocker als Schlagersänger. Und ob Oberbürgermeister oder Obdachloser – bei mir werden alle gleich gezeichnet. Da hole ich für die Prominenz nicht extra das Blattgold raus.

Wie kann man ein solches Bild erwerben?

Am 3. Juni wird es eine Auktion der Bilder geben. Man kann dann live vor Ort in Langenhorn mitbieten, aber auch vorher schon und sogar zeitgleich im Internet über einen Link auf unserer Seite. So kann man von überall aus sein Lieblingsbild ersteigern. Von den NFTs werden einige auch zum Festpreis angeboten.

„Authentizität und Stärkung der Gemeinschaft“ sind für Sie die Leitgedanken Ihres Projekts. Welche Hamburger „Geschichte“ hat Sie bisher am meisten beeindruckt?

Was ich als alter weißer Mann und Maler cool fand: dass jemand wie der Kiezrapper „Reeperbahn Kareem“, der auch bildmäßig in einer völlig anderen Szene zu Hause ist, sein gemaltes Porträt so gefeiert hat. Kareem kümmert sich um Kids, die zum Beispiel in die Drogensucht abzurutschen drohen, und geht mit denen boxen. Und so jemand schickt mir dann eine Sprachnachricht und sagt: „Du bist für mich ein absoluter Ehrenmann!“ Das freut einen dann doch.

Artikel aus der Ausgabe:

Zehn Jahre Lampedusa in Hamburg

Nach der Solidaritätswelle: Wie die Lampedusa-Geflüchteten in Hamburg angekommen sind – und wie die EU sich an ihren Grenzen immer weiter abschottet. Außerdem: Wieso Hamburgs Wohnunterkünfte überfüllt sind wie sich ein Festival gegen Antisemitismus stark macht. 

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Autor:in
Jochen Harberg
Seit über 40 Jahren im Traumberuf schreibender Journalist, arbeitete festangestellt u. a. für Stern und Welt am Sonntag. Seit 2019 mit großer Freude im Team von Hinz&Kunzt.

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