Wenn das Geld knapp ist, bleibt die Ernährung oft auf der Strecke. Dass gesundes Essen keine Zauberei ist, lernen junge Mütter bei Kochkursen der Hamburger Tafel
(aus Hinz&Kunzt 190/Dezember 2008)
Ratlos betastet Sandra Kretzschmar den Kohlkopf, der behäbig übers Schneidebrett kullert. Wie soll aus diesem massiven Riesengemüse ein leckeres Hauptgericht werden? Gegenüber hat Asli Yarvuz schon losgelegt. Großzügig schält sie mit einem Messer einen Apfel. „Ich gebe dir einen Sparschäler“, sagt Sabine Kuchenbecker und zeigt gleich noch, wie Orangen filetiert werden. Suzana Sindjic und Savena Kästner kommen mit ihrer Aufgabe, Brokkoli zu putzen und zu zerlegen, ganz gut alleine klar.
Zum Kochkurs der Hamburger Tafel für junge Mütter mit knappem Budget treffen Sandra, Asli, Savena und Suzana sich heute zum zweiten Mal mit Sabine Kuchenbecker. Jede Woche bereiten die Frauen gemeinsam ein richtiges Drei-Gänge-Menü zu, heute Brokkoli-Creme-Suppe, Weißkohl mit Hackfleisch und Obstsalat mit karamellisierten Walnüssen.
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Die Frauen, die hierher in die Küche der Jenfelder Kaffeekanne und in neun andere Hamburger Einrichtungen kommen, haben in ihren Familien meist keine Kochtipps und nichts über vollwertige Ernährung gelernt. „Das Prinzip, in der Familie Wissen weiterzugeben und voneinander zu lernen, funktioniert heute nicht mehr“, sagt Sabine Kuchenbecker. Die Frauen wurschteln sich am Herd durch, wissen aber nicht, wie man eine Zwiebel hackt, ohne dass sie auseinanderfällt, oder Pizza selbst macht – nicht aus der Tiefkühltruhe, sondern mit eigenem Hefeteig. Was zu Hause nicht geklappt hat, wird in den Kochkursen nachgeholt – und gelangt dann wieder in die Familie.
„Meine Kinder haben mein Gemüse irgendwie nie essen wollen“, sagt Savena Kästner. Mit den Tipps aus dem Kochkurs der Tafel begeistert sie ihre Kinder jetzt öfter für Grünzeug. Das Rezept der vergangenen Woche, Gemüsequiche, hat die 36-Jährige schon nachgekocht – mit der Unterstützung ihrer fünfjährigen Tochter. „Das hat etwas länger gedauert“, sagt sie. „Aber ist doch klasse, dass sie sich fürs Kochen interessiert.“ Das ging der 25-jährigen Sandra früher ganz anders: „Ich hatte nie Lust, meiner Mutter in der Küche zu helfen.“ Jetzt fehlt ihr etwas, findet sie. Wenn ihre Tochter aus dem Kindergarten kommt, will sie ihr ein gesundes Mittagessen anbieten. „Sonst gab es schon öfter Fertiggerichte. Die finde ich ehrlich gesagt auch lecker“, sagt die alleinerziehende Studentin. Sie hat Fragen über Fragen und will so viele Tipps wie möglich mitnehmen. Das ist nicht selbstverständlich, weiß Sabine Kuchenbecker. „So neugierig wie diese Gruppe sind längst nicht alle. Wir hatten auch oft schon Frauen da, die ihre Zeit hier mehr oder weniger abgesessen haben.“
Wer gedrängt wird, zum Kurs zu gehen, etwa vom Familienbetreuer, habe daran erst mal keinen Spaß. Andererseits: Die Frauen, für die die Kurse ursprünglich gedacht waren, sind schwer zu erreichen. Etwa Alleinerziehende mit mehreren Kindern, die mit dem Hartz-IV-Satz ohnehin kaum auskommen und für die vollwertige Ernährung ganz unten auf der Prioritätenliste steht. Gering gebildete Mütter, die sich zurückziehen und vielleicht schon schlechte Erfahrungen mit Institutionen haben, die eigentlich helfen sollten. „Die, die sich schon aufgegeben haben, kriegen leider auch wir nicht motiviert“, sagt Sabine Kuchenbecker.
Die Frauen, sie sich um den Profi-Herd in der Jenfelder Kaffeekanne scharen, sind über die Elternschule Jenfeld zum Kochkurs gekommen – freiwillig. „Sie können Ratschläge annehmen und sind es gewohnt, sich helfen zu lassen“, sagt Sabine Kuchenbecker. Sie erklärt geduldig, gibt Tipps, lobt. „Sie ist eine Perle“, sagt Suzana, bevor sie zurück zum Suppentopf hastet.
Hier kann die dreifache Mutter ganz in Ruhe kochen, ohne Sorge um ihre Kinder. Suzanas Mann muss heute Abend arbeiten und kann sich um die Kleinen nicht kümmern. Die 32-Jährige hätte den Kochabend verpasst, gäbe es in der Jenfelder Kaffeekanne nicht auch die Möglichkeit, die Kinder mitzubringen. Die drei Zwei- bis Sechsjährigen spielen im Nebenraum mit einer Betreuerin und sind also gut versorgt.
In der Küche drängen die Frauen sich jetzt um Asli. Die rührt in einer heißen Pfanne Walnüsse und Puderzucker. „Nicht aufhören, Asli“, mahnt Sabine Kuchenbecker. Sonst gibt es zum Obstsalat statt karamellisierter Nüsse verbrannte. Missgeschicke dürfen natürlich auch passieren, aber heute ist alles prima gelungen. Es duftet und dampft aus den Schüsseln, die die Frauen jetzt zum gedeckten Tisch tragen. Sie freuen sich schon auf die nächste Woche. Und die danach. Sie haben noch viel vor, zum Beispiel Plätzchen backen. „Das darf in der Vorweihnachtszeit nicht fehlen“, sagt Sabine Kuchenbecker.
Probieren Sie doch in den Feiertagen ihr Einfach-günstig-lecker-Rezept. Aber Vorsicht, nichts anbrennen lassen!
Beatrice Blank
WEIHNACHTSREZEPT Hähnchen à l’Orange
Von 1 kg Rosenkohl Strunk und äußere Blätter entfernen. Auseinanderzupfen. In gesalzenem, kochendem Wasser drei Minuten blanchieren. Abgießen und mit kaltem Wasser abschrecken. Abtropfen lassen. 800 g Kartoffeln schälen und vierteln, in wenig Salzwasser garen. Abgießen, mit gehackter Petersilie bestreuen. 2 Orangen filetieren, den Saft auffangen. 4 Hähnchenbrüste salzen, pfeffern und in 1 EL Butter und 1 EL Öl von beiden Seiten anbraten. Bei 150 Grad 10–15 Minuten in den Backofen geben. In dem Bratenfond die Orangenfilets mit 1 EL Zucker 2 Minuten braten, mit etwas Brühe auffüllen, Orangensaft hinzugeben, einkochen lassen. Mit ein wenig Soßenbinder an-dicken. Soße zu den Hähnchen in den Ofen geben, Temperatur auf 50 Grad reduzieren.
In einer Pfanne 2 EL Butter und 1 EL Zucker schmelzen. Rosen-kohl-blätter darin kurz braten.
Tipp: Kartoffeln am Vortag schälen und in Wasser einlegen. Rosenkohl vorbereiten. Beides im Kühlschrank lagern. Spart am Weihnachtstag Zeit.